Kommentar zur SPD: Opposition - und dann?

Nach dem Wahldebakel braucht die SPD eine klare inhaltliche Neuausprägung. Ein Kommentar unseres Berliner Korrespondenten.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: Mathias Krohn

Schluss mit der großen Koalition! Nach dieser erfrischend klaren Ansage steht die SPD zweifellos vor einem tiefen politischen Einschnitt. Das schwarz-rote Regierungsbündnis hat die einst so stolze Partei auf Zwergenmaß geschrumpft. Vor allem im Osten der Republik. Und gemessen am Anspruch, Volkspartei zu sein, sicher auch gesamtdeutsch. Nun sucht die SPD ihr Heil also in der Opposition. Doch das allein kann noch keine Lösung sein für die vielen Nöte, die die Partei mit sich herumschleppt. Erforderlich ist eine klare inhaltliche Neuausprägung - und längerfristig eine Machtoption, eine reale Alternative jenseits der Union.

Gefühlt war die SPD eine halbe Ewigkeit mit der Merkel-CDU verbandelt. Aber der Eindruck täuscht. Bereits zwischen 2009 und 2013 gab es eine Phase der Opposition. Doch ließ die Partei sie praktisch ungenutzt verstreichen. Ergebnis: Am Wahltag vor vier Jahren hatte sich die SPD gerade einmal von 23 auf 25,7 Prozent "hochgearbeitet". Ein politisches Armutszeugnis. Merke: In der neuen Rolle der Opposition zu alter Stärke zurückzufinden, ist längst kein Automatismus. Was also bleibt zu tun?

Um ihre existenzielle Krise zu überwinden, müsste die Partei wieder für größere gesellschaftliche Schichten attraktiv werden. Der klassisch sozialdemokratisch geprägte Industriearbeiter ist in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft immer seltener zu finden. Dafür gibt es immer mehr Studierte und junge Selbständige, aber auch viele Abgehängte. Die größte Herausforderung besteht darin, für diese sehr verschiedenen Gruppen eine sozialdemokratische Erzählung zu finden, eine eingängige Botschaft, die die vielfältigen Einzelinteressen auf sozialdemokratische Weise bündelt. Diese Erzählung kann nur lauten: Mehr Gerechtigkeit, mehr Chancengleichheit und mehr Durchlässigkeit der sozialen Schichten.
Begünstigend dabei dürfte sein, dass sich die Union in einem möglichen Jamaika-Bündnis konservativer ausrichten muss. Auf diese Weise können die politischen Alternativen wieder deutlicher werden.

Auch machtpolitisch ist die SPD in einer schwierigen Lage. Eingezwängt zwischen der AfD und der Linken die Oppositionsbänke zu drücken, ist kein Vergnügen. Doch diese Konstellation hat auch eine interessante Kehrseite: Weil die AfD als politischer Ansprechpartner ausscheidet, ist Rot-Rot geradezu verdammt zur parlamentarischen Kooperation. Dafür sorgt schon die Geschäftsordnung des Bundestages. Zur Durchsetzung wichtiger Minderheitenrechte braucht es nämlich eine Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Abgeordneten. Das heißt ganz praktisch: Nur im Zusammenspiel mit den Linken könnte die SPD zum Beispiel einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss erzwingen, oder eine Sondersitzung des Bundestages.

Ob aus dem parlamentarischen auch ein politisches Zusammenspiel beider Parteien werden kann, ist zweifellos eine der spannendsten Fragen im neuen Bundestag. Und eine wichtige Aufgabe für die Führungen beider Lager.

nachrichten.red@volksfreund.de

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