Kabel oder Schüssel: Wieviel Fernsehen darf es sein?

Kamen · Wie der Bundesgerichtshof entscheidet, wenn Informations- und Eigentums-Interessen aufeinanderprallen.

 Ein Fernsehempfang ohne Satellitenschüssel ist heute kaum noch denkbar. Doch auch die Hauseigentümer haben Rechte. Foto: dpa

Ein Fernsehempfang ohne Satellitenschüssel ist heute kaum noch denkbar. Doch auch die Hauseigentümer haben Rechte. Foto: dpa

Foto: Stephanie Pilick (ELI@S-Bildarchiv Saarbrücker Ze)

Kamen Ob zusätzliche Fernsehsender den Horizont erweitern, sei dahingestellt. Auf jeden Fall hat jeder Mieter ein im Grundgesetz verankertes Recht auf Informationsfreiheit. Vermieter hingegen besitzen das ebenso grundgesetzlich verbriefte "Eigentumsinteresse".
Was allein der Bundesgerichtshof (BGH) zu diesem Interessenkonflikt sagt, finden Sie in dieser Urteilssammlung. Es geht in erster Linie darum, ob und wo eine Parabolantenne angebracht werden darf oder ob als Alternative ein Fernsehempfang über das Kabel reicht.

Abwägung von Rechtsgütern: In diesem Fall wollten die polnischen Mieter ihre Parabolantenne, die sie selbst angebracht hatten, behalten. Der Vermieter war dagegen und gewann den Prozess (Az.: VIII ZR 268/12). Die Antenne musste entfernt werden. In dem Haus gab es nämlich einen Kabelanschluss.
Die Mieter wiesen darauf hin, dass dort sowohl die Menge der polnischen Sender als auch ihre journalistische Qualität längst nicht so gut sei wie bei den Sendern, die sie über die Schüssel empfangen konnten. Der Anspruch des Vermieters, diese Parabolantenne entfernen zu lassen, hängt nach Ansicht des BGH jedoch nicht davon ab, wie viele Sender der Mieter in seiner Muttersprache über einen alternativen Kabelanschluss empfangen kann. Auch die Qualität der Sender, die über das Kabel in sein Wohnzimmer gelangen, sei unerheblich. Denn auch dem BGH war klar, dass bei einigen Sendern sowohl Nachrichten als auch hochwertige Informations- und Unterhaltungssendungen ausgestrahlt werden - andere Frequenzen allerdings nur dem Teleshopping vorbehalten sind. Das Gericht verwies in diesem Fall jedoch darauf, dass Informationssendungen inzwischen auch im Internet allgemein zugänglich sind.

HD-Qualität kann, muss es aber nicht sein: Mieter haben nicht das Recht, gegen den ausdrücklichen Wunsch des Vermieters auf ihrem Balkon eine Parabolantenne anzubringen, um Fernsehprogramme in HD-Qualität empfangen zu können. Ein solcher Anspruch besteht nur dann, "wenn das Informationsinteresse des Mieters nicht auf andere Art, zum Beispiel durch einen Breitbandkabelanschluss befriedigt werden kann". Das war hier der Fall, weil Programme "per Kabel" empfangen werden konnten. Es sei aus Informationsgründen nicht nötig, die Sendungen in HDTV-Qualität empfangen zu müssen (Az.: VIII ZR 275/09).
Sieben spanische Fernsehsender reichen aus:
Ein spanisches Mieter-Ehepaar kann seinen Vermieter nicht verpflichten, mit der Anbringung einer Parabolantenne an dem Gebäude einverstanden zu sein, um "Programme aus der Heimat" empfangen zu können. Denn in diesem Fall wurden über die hausinterne Breitbandanlage bereits drei Programme ausgestrahlt. Außerdem konnten durch einen zusätzlichen Decoder vier weitere Sender auf den Bildschirm geholt werden. Dass dadurch Zusatzkosten entstehen, ändert nichts an der Rechtslage. Denn die "Informationsfreiheit gewährleistet den Zugang zu Informationsquellen im Rahmen der Gesetze, nicht aber dessen Kostenlosigkeit", so der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 63/04). Ähnlich hat das Gericht in einem Fall russischer Mieter entschieden. Diese hatten bereits fünf Fernsehsender aus ihrer Heimat und verlangten, dass der Vermieter einer Parabolantenne an der Hauswand zustimme. Weil das Gesamtbild der Fassade dadurch aber "erheblich beeinträchtigt" worden wäre, sagte der BGH "Njet!" (Az.: VIII ZR 118/04).

Ohne Verankerung darf Schüssel bleiben: Zwar kann der Vermieter einem Mieter untersagen, eine Parabolantenne auf dem Balkon anzubringen, wenn ein Kabelanschluss verfügbar ist. Doch darf der Mieter eine "Schüssel" aufstellen, wenn "weder eine Substanzverletzung noch eine ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu erwarten ist". Verursacht die Antenne keine oder "lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen", so muss der Eigentümer die Erlaubnis dafür erteilen (Az.: VIII ZR 207/04). In diesem Fall hier stand die Schüssel auf dem Fußboden im hinteren Bereich eines sichtgeschützten Balkons ohne feste Verankerung.

Kein Vorrang für Mieter oder Vermieter: Ob ein Mieter eine Parabolantenne auf seinem Balkon anbringen darf, kann nicht schematisch entschieden werden, wenn bereits ein Breitbandkabelanschluss vorhanden ist. Es ist das Informationsbedürfnis des Mieters, mehr Programme empfangen zu können, gegen das Interesse des Vermieters, sein Eigentum zu schützen, abzuwägen, so der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 5/05). In diesem Fall hatte die polnische Mieterin nicht alleine darauf bestanden, Programme aus ihrer Heimat zu sehen. Sie sah sich durch den alleinigen Kabelempfang generell in ihrem Recht unterdrückt, möglichst viele Informationsquellen nutzen zu können. Jetzt muss die Vorinstanz klären, ob sie auf dem Balkon eine Schüssel anbringen darf.

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