Was vom römischen Silberschatz übrig blieb

Trier · Spannend wie ein guter Historienthriller: Die Geschichte der Trierer Apostelkanne. Nach 25 Jahren Forschung gibt’s jetzt das Buch dazu.

 Hinter Panzerglas: die 1600 Jahre alte Apostelkanne. Das kleine Foto zeigt den Buchtitel. TV-Foto: Roland Morgen

Hinter Panzerglas: die 1600 Jahre alte Apostelkanne. Das kleine Foto zeigt den Buchtitel. TV-Foto: Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Trier Eine solche Geschichte kann sich kein Drehbuchautor besser ausdenken. Sie beginnt am 4. Dezember 1628. Im Garten des Trierer Jesuitenkollegs nahe der Mosel sind sechs Novizen des Jesuitenkollegs damit beschäftigt, Trümmer von antiken Bauten zu beseitigen. Dabei stoßen sie auf 49 Silbergefäße und Geräte. Gesamtgewicht: fast 115 Kilogramm. Es ist Winter, und der seit 1618 tobende Dreißigjährige Krieg hat Not und Elend auch über Trier gebracht. Also entschließen sich die Jesuiten, den Schatz einzuschmelzen, um Essbares kaufen zu können. Glücklicherweise fertigen sie für die Nachwelt eine schriftliche Beschreibung der Silberobjekte an.
Das zweite Kapitel spielt sich mehr als dreieinhalb Jahrhunderte später ab. Der Ex-Klostergarten ist inzwischen Gelände des Klinikums Mutterhaus. 1992 wird dort bei Ausgrabungen eine Silberkanne gefunden. Einen halben Meter hoch und 2,8 Kilogramm schwer. Im Landesmuseum schrillen die Alarmglocken: Da war doch was?!
Kapitel Nummer drei: Wir schreiben das Jahr 2017. Endlich liegt das Buch zum Schatz und zur Kanne vor. Landesmuseums-Chef Marcus Reuter frohlockt: "Der Kreis hat sich geschlossen, es ist geschafft!" Die Kanne gilt nach ausgiebiger Erforschung als Schlüssel zum verloren gegangenen Silberschatz, dem größten seiner Art.
Denn dass Kanne und das eingeschmolzene Essgeschirr zusammengehören, daran zweifelt keiner mehr aus der Riege internationaler Experten, die sich mit der achteckigen Apostelkanne beschäftigt haben. Deren Name rührt von den darauf im Zwiegespräch dargestellten Aposteln, darunter Petrus und Paulus. Ein Prestigeobjekt von heute ungeheurem kunsthistorischen Wert und dennoch nur ein kleiner Teil eines Tafelgeschirrs, das in Notzeiten hastig vergraben worden ist - das 1628 gefundene Essgeschirr sowie Trink- und Schankgefäße (wozu die Kanne gehört) getrennt voneinander.
Spannend auch die zeitliche Einordnung. Klar, dass es sich um einen Römerschatz handelt. Aber die Machart und das christliche Bildschema sind klare Indizien für die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts - einer Zeit also, als Germanen dem Imperium immer härter zusetzten und sich Kaiser und Hofstaat längst aus Treveris (Trier) verabschiedet hatten.
Entgegen der gängigen Annahme, auch die komplette römische Elite habe sich in vermeintliche sichere südliche Regionen abgesetzt, gab es im stürmischen frühen fünften Jahrhundert doch noch eine Oberschicht, die sich größten repräsentativen Luxus leistete. Und eine Silberschmiede, die den hohen Ansprüchen noch auf meisterhafte Weise gerecht zu werden vermochte. Die Kanne ist nicht etwa ein Import, sondern stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus lokaler Produktion.
Unter die Erde kam sie wohl anno 432, als Trier binnen weniger Jahre zum vierten Mal von Franken erobert und zerstört wurde. Dabei ließen wohl die Besitzer des Tafelgeschirrs ihr Leben. Sie gruben ihren Schatz nicht wieder aus.
Alle diese Kapitel sind in dem in der Reihe "Trierer Zeitschrift" des Rheinischen Landesmuseums erschienenen Buch "Die Apostelkanne und das Tafelsilber im Hortfund von 1628 - Trierer Silberschätze des 5. Jahrhunderts" auf 333 Seiten ausgiebig beschrieben. Das Buch ist bis Jahresende zum Einführungspreis von 78 Euro im Landesmuseums-Shop und im Buchhandel erhältlich. Später kostet es 98 Euro.
Die Federführung hatten die Schweizer Archäologen Max Martin (1939-2016) und Annemarie Kaufmann-Heinimann; zum zehnköpfigen Autorenkollektiv gehörten auch die Landesmuseums-Mitarbeiter Ludwig Eiden, Sabine Faust und Hartwig Löhr.
"Tolles Fundstück, tolles Buch", urteilt Museumdirektor Reuter, der sich zudem "sehr glücklich" zeigt, das Werk pünktlich zum 25. Jahrestag der Kannenentdeckung vorlegen zu können.
Bei aller Ausführlichkeit bleibt eine Frage offen: Wie genau ist denn das gute Stück ins Landesmuseum gelangt, wo es neben dem 1993 ebenfalls auf dem Mutterhaus-Gelände gefundenen Goldschatz als Aushängeschild gilt?
Die sich hartnäckig haltende Legende besagt, dass ein Baggerfahrer es fand, als die Archäologen schon Feierabend gemacht hatten. Und mit seinem Fundstück sei der Baggerfahrer zum damaligen Landesmuseums-Chef Heinz Cüppers (1929-2005) gegangen, um es diesem stolz als "römische Teekanne" zu offerieren ... Doch Cüppers kennt die Jesuiten-Aufzeichnung vom Silberschatz. Die Alarmglocken läuten.
"Der Kreis hat sich geschlossen, es ist geschafft!"
Das Buch "Die Apostelkanne und das Tafelsilber im Hortfund von 1628 - Trierer Silberschätze des 5. Jahrhunderts" ist bis Jahresende zum Einführungspreis von 78 Euro im Landesmuseums-Shop und im Buchhandel erhältlich. Später kostet es 98 Euro.

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