Bitburger Bürgermeisterwahl: Damit überzeugen die Kandidaten

Bitburg · Die Bitburger Bürgermeister-Kandidaten, Joachim Kandels und Ralf Olk, haben sich für zwei Stunden bei ihrem Wahlkampf begleiteten lassen. Das waren ihre Themen und so haben sie diese beworben.

 Joachim Kandels (von links), TV-Redakteurin Dagmar Schommer und Ralf Olk

Joachim Kandels (von links), TV-Redakteurin Dagmar Schommer und Ralf Olk

Foto: Klaus Kimmling

Unterwegs mit Joachim Kandels: Wer führen will, muss hören.


Nach zwei Minuten steht der Deal. Der Herr mit dem akkurat gepflegten Schnauzer verspricht dem Bürgermeister seine Stimme für den Tag der Wahl, reicht ihm die Hand und verschwindet im Bitburger Regen. In seiner linken Hand das durchweichte Wahlprogramm des Joachim Kandels, das er bis jetzt keines Blickes gewürdigt hat. Der CDU-Politiker hatte es ihm mit den Worten: "Darf ich Ihnen etwas mitgeben?", in die Hand gedrückt und sich anschließend geduldig angehört, was er über seine Nachbarschaft, den Baum vor seinem Haus und das bescheidene Wetter zu sagen hatte. Kein Wort über Innenstadtring, kein Wort über die Pläne des Kandidaten, kein Wort über den Herausforderer Ralf Olk. Der unausgesprochene Deal lautet: zuhören gegen Wählerstimme.Kandels' leiser Abschiedsgruß geht fast unter im Geräusch, das der auf den Spittel prasselnde Regen erzeugt. Hinter ihm, im CDU-Pavillon, rattert die Kaffeemaschine auf dem gepflasterten Boden. Seine Frau und eine Handvoll Parteikollegen bieten den Passanten Milchkaffee und Flyer an. Kaum einen Passanten interessiert, was der Kandidat in Bitburg erreichen will. Der Bürgermeister scheint das zu spüren und plaudert mit den Leuten über die Themen, die sie anschlagen. In seiner schwarzen Regenjacke und den Jeans steht er leicht gebeugt vor seinem Gegenüber, den Stapel Flyer in der Rechten, und nickt. Kandels' Parteikollegen bieten Kugelschreiber und Schokoladenkekse an, Kandels bietet das Gefühl, von denen da oben gehört zu werden. Legt der Regen nach einer Pause wieder los, hält er seinen Schirm höflich über den Gesprächspartner. Zwei Regenschauer später wird es doch noch politisch. Eine junge Frau unterbricht den Einkaufsbummel mit ihrer Freundin, um den Bürgermeister zu loben: Die renovierten Spielplätze in der Stadt gefielen ihr besonders gut. Ihre britische Freundin mischt sich ein: "Aber in der Ausländerbehörde haben sie mich so unhöflich behandelt, dass ich mir geschworen habe, dort nie wieder hinzugehen." Kandels wehrt sich freundlich: Nicht die Stadt, sondern der Kreis betreibe die Behörde. Die Frauen verabschieden sich und diskutieren nach ein paar Schritten. Kandels habe viel getan für die Stadt, sagt die junge Mutter, "aber der andere wirkt auch so sympathisch." Zurzeit steht Kandels jeden Samstag auf dem Platz. Unter der Woche klingelt er alleine an Haustüren. Trotz des enormen Zeitaufwands: "Mehr als ein paar Dutzend Stimmen kommen wohl nicht zusammen", schätzt Kandels. Die persönlichen Gespräche seien dennoch sehr wichtig - so könne man zeigen, wie wichtig einem die Ansichten und Wünsche der Bürger seien. Wie sich der Kandidat kümmert, das sehen nicht nur die Passanten. "Ich möchte die überzeugen, die mich noch nicht gewählt haben", sagt er in Richtung seines Parteikollegen Christian Jäger, der ihn mit dem iPhone filmt. Kurze Zeit später steht das Video auf der Facebook-Seite der CDU Bitburg und auf Kandels' Facebook-Seite. Letztere betreut er nach eigenen Angaben selbst. Als Kandels schon den Pavillon abbauen und die Flyer ins Auto räumen will, konfrontiert ihn ein Mann mit seinen Forderungen: Den Finger auf den Kandidaten gerichtet, verlangt er, Kandels möge beim Winterdienst veranlassen, dass in der kleinen Straße vor seinem Haus künftig immer Schnee geräumt wird. Als er ausgeredet hat, holt Kandels Luft und erklärt ihm mit leiser Stimme, dass der Winterdienst zunächst die für alle wichtigen Straßen räumen müsse - erst dann könne man sich um kleinere Straßen kümmern. Als der Mann sein Anliegen noch mal temperamentvoll formuliert, schreibt Kandels in seinen kleinen Notizblock. "Dann schau 'ma mal, müssen gucken", murmelt er. Ein Nein gibt es im Wahlkampf nicht. DREI FRAGEN AN JOACHIM KANDELS

Was war die größte Überraschung Ihres Wahlkampfs?
JOACHIM KANDELS: "Mich hat überrascht, dass mir auf der Straße so viele sagen, dass sie schon per Briefwahl gewählt haben - und schönerweise für mich."

Und Ihr schönstes Erlebnis?
KANDELS: "Dass mich die CDU in einer geheimen Abstimmung einstimmig zum Kandidaten nominiert hat. Das stärkt das Selbstwertgefühl ungemein. Dank dieser Zustimmung bin ich mit mehr Motivation in den Wahlkampf gezogen."

Was finden Sie an Ihrem politischen Gegner toll?
KANDELS: "Ich finde toll an Ralf Olk, dass er den Mut hat, als Kandidat gegen mich anzutreten."
Ralf Olk will "einer für alle" sein - bei einem Amt aber lieber nicht.

Fahrgäste gibt es nicht, aber mehr Aufsehen als für andere Stadtbusse. "Die Leute gucken natürlich, vor allem dann, wenn Fahrer und Foto auf dem Bus gleich sind", sagt Bürgermeisterkandidat Ralf Olk (parteilos). Heute fährt der 52-Jährige ausnahmsweise selbst. Denn Olk lädt den Reporter mit einem breiten Grinsen zur Rundfahrt ein. Die Chinesen sagen: Mit einem Lächeln gewinnt man mehr Freunde als mit einem langen Gesicht - auch Wähler? Olks Zwei-Meter-Konterfei am Wahl-Werbe-Bus grinst während der Fahrt die vielen anderen Verkehrsteilnehmer an. "Einer für alle" steht in großen Lettern auf dem Gefährt, die Botschaft verleitet automatisch dazu, den bekannten Spruch der Musketiere weiterzudenken: "...und alle für einen". Dafür kämpft er, sogar häufiger zu Fuß. Von Tür zu Tür klingelte er bisher in der Echternacher Straße oder der Franz-Mecker-Straße. Olks Inventar besteht aus einem Flyer, einem Button, einem Aufkleber, einer Visitenkarte und einer Haftnotiz. Und normalerweise hat er seine 20-jährige Tochter dabei. Das komme gut an bei den Leuten, wenn ein junger Mensch dabei sei. Heute muss er alleine gut ankommen, sie ist beruflich eingebunden. Und das läuft dann auch schon mal so: "Hallo, Ralf Olk ist mein Name. Ich wollte mich nur kurz vorstellen." Die Stimme an der Gegensprechanlage knirscht: "Warum?" Olk: "Ich möchte Bürgermeister werden." Die Stimme: "Das ist gerade ungünstig." Olk: "Trotzdem Danke." Meistens läuft es besser. Viele Menschen freuen sich, wenn Olk sie begrüßt. Manche geben ehrlich zu: Die Wahl sei schwer. Denn sie kennen beide Kandidaten lange. Etwa von der Kirchenarbeit. Olk weist dann höflich darauf hin, dass es nicht um Sympathien gehe, sondern darum, wer die Stadt leiten soll. Einmal, als Olk den Hausflur einer 82-Jährigen verlässt, sagt er: "Die wird mich nicht wählen." Er wisse, dass sie mit Kandels eng verbunden sei. Die vier Stockwerke hoch und runter, wie hier, bereut er nicht: "Es ist ein schöner Aspekt, dass man die Lebensverhältnisse der Menschen kennen lernen kann." Da sei man oft überrascht, welcher Bildungsbürger hinter welcher schlichten Türe wohne - und in mancher schicken Wohnung auch andersherum. Olk wird auf der Straße im Sekundentakt gegrüßt, wie ein Promi. Hier trifft er einen Versicherungsvertreter, der statt um Stimmen für seine Produkte wirbt, dort eine ältere Dame, die von ihm erwartet, etwas gegen den Leerstand der Geschäfte zu machen. Was sind sonst die Themen an der Türe? Einem Bitburger stößt es bitter auf, dass das Standesamt oft nur bis 12 Uhr auf hat. Ein weiteres Thema sind Verwaltungen, die müssten dringend besser digitalisiert werden. Während Olk meist selbstsicher einen Plan zur Verbesserung verspricht, geht es ihm einmal zu weit: "Weder Kandels noch ich können etwas gegen den Krieg in der Welt unternehmen." Die potenzielle Wählerin erwartet gleichwohl viel: "Das Kleine hängt doch mit dem Großen zusammen." Ein Einzel(wahl)kämpfer wie heute ist er sonst nicht. Wie sieht Olks Team aus? Sein erster Berater sei seine Frau. Dann komme sein Sohn, der sei auch Lektor für seine Texte. Da gebe es dann noch einen professionellen Polit-Berater, eine kleine Grafikagentur, jemanden der seine Homepage betreut und einen professionellen Facebook-Manager. Und was kostet das alles? "Drei Kilo", sagt er lachend, möchte also keine Zahlen ins Spiel bringen. Finanzieren muss er das selbst.Nach einer Runde bis zum Petersplatz ist er mit den Hausbesuchen fertig, Olk muss gleich auch zum Elternabend, regelt nebenbei flott ein paar Termine mit seiner Frau am Telefon: "Ich lasse mich aber nicht wählen." Wie jetzt? Zum Elternsprecher, das schaffe er dieses Jahr nicht. Er müsse Prioritäten setzen, "nun steht erst mal eine andere Wahl an."Alle weiteren Artikel zur Bürgermeisterwahl in Bitburg finden sie unter www.volksfreund.de/wahlen DREI FRAGEN AN RALF OLK

Was war die größte Überraschung Ihres Wahlkampfs? Ralf Olk: "Ich bin nach wie vor erstaunt, wie viele Menschen mich nun nach nur wenigen Monaten Wahlkampf kennen." Und Ihr schönstes Erlebnis?Olk: "Bei der ersten Tour mit Hausbesuchen stand an der Tür ein junges Mädchen. Als sie mich sah, riss sie weit die Augen auf und schrie: Mama, der Bürgermeister ist da! Ich habe herzhaft gelacht." Was finden Sie an ihrem politischen Gegner toll?Olk: "Ich finde toll an Joachim Kandels, dass er Italienisch spricht. Ich liebe Italien, beherrsche die Sprache aber nicht. Sonst: Er ist ein absolut untadliger Mensch! Zum Bürgermeister taugt er aber nichts."

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