Als wir alle Schmuggler waren

Bleialf/Winterspelt · Dramatischer Blick in die Nachkriegsgeschichte der Westeifel: Die Reservistenkameradschaft Bleialf-Schneifel zeigt in Winterspelt erstmals die Verfilmung des Bühnenstücks "Verlorene Jugend".

 Auf der Jagd nach Eifeler Schmugglern: Akteure des Theatervereins als Zöllner im Film über die „Verlorene Jugend“. Fotos (2): Veranstalter

Auf der Jagd nach Eifeler Schmugglern: Akteure des Theatervereins als Zöllner im Film über die „Verlorene Jugend“. Fotos (2): Veranstalter

Foto: (e_pruem )

Bleialf/Winterspelt Sie tun sich seit Jahren hervor mit ihrem Engagement im Umgang mit der Kriegsvergangenheit: Die Mitglieder der Reservistenkameradschaft Bleialf-Schneifel. So helfen sie bei der Suche nach vermissten Soldaten, kümmern sich um Kriegsgräber und dokumentieren die Ereignisse der Ardennenoffensive (der TV berichtete).Oder sie gehen auf die Bühne: Im Jahr 2004 präsentierte der Theaterverein Schwarzer Mann, dem etliche Reservisten ebenfalls angehörten, sein selbstverfasstes und inszeniertes Bühnenstück "Verlorene Jugend". Es spielt in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rund um den Schwarzen Mann. "Not, Elend und auch Hunger waren die Wegbegleiter der Menschen in der damaligen Zeit", sagt Josef Sohns, der Vorsitzende der Reservisten. Auch jenseits der Grenze, wo Städte und Dörfer im benachbarten Belgien ebenfalls in den schrecklichen Kämpfen der Ardennenoffensive gelitten hatten. Allerdings, sagt Sohns, hätten sich dort die Regale in den Geschäften langsam wieder mit Waren des alltäglichen Lebens gefüllt - "und zwar in einer Form, wie es sich die Menschen diesseits der Grenze kaum vorstellen konnten". Also habe man sich in stundenlangen Fußmärschen nach Belgien aufgemacht, um Waren zu tauschen und rüberzuschmuggeln: Schmuck oder Silberbesteck, Hühner oder Ferkel, selbstgebrannten Schnaps und allerhand mehr - gegen Kaffee, Zigaretten und andere Produkte. Bis 1951 - das Jahr, in dem das Theaterstück spielt - nahm die Schmuggelei extreme Formen an. Ganze Banden, sagt Josef Sohns, "gut organisiert und mit Fahrzeugen ausgerüstet, schmuggelten zum Teil zentnerweise Kaffee über die Grenze, um ihn dann im deutschen Hinterland gewinnträchtig zu veräußern". "In westalliierten Zeitschriften", sagt Matthias Fuchs, der Schriftführer der Reservisten, habe man damals den Zustand "bereits mit dem Alkoholschmuggel in den 20. Jahren in den USA" verglichen. Der Kaffee, transportiert "in Rucksäcken, unter Röcken oder in Fahrzeugen" sei damals die heimliche Währung im Grenzland gewesen.Es war aber auch eine sehr gefährliche Grenze, denn der Zoll war hinter den Schwarzhändlern her: In diesen Jahren starben an der Grenze in Schusswechseln mit den Zöllnern oder bei Unfällen 66 Menschen, mehr als 200 wurden auf beiden Seiten verletzt, viele von ihnen schwer. Vor diesem Hintergrund erzählt der Theaterverein die Geschichte von drei Menschen: des Zöllners Franz Heilmann, des Schmugglers Peter Lenz - und der Eifelerin Johanna Sohns, die im Krieg ihre Eltern verloren hat, den Bruder in Russland vermisst und die Probleme des alltäglichen Lebens zusammen mit ihrer jüngeren Schwester bewältigen muss.Das mutimedial angelegte Bühnenstück war damals ein großer Erfolg: Mehr als 3000 Menschen sahen die Aufführungen - insgesamt waren es 15, nachdem man zunächst nur sechs geplant hatte. Was noch niemand gesehen hat (außer bei einer Vorführung in Belgien) ist die filmische Aufbereitung des Stücks. Sie wird deshalb in der deutschen Eifel am Freitag, 3. November, erstmals gezeigt: um 20 Uhr im Gemeindehaus von Winterspelt.Warum Winterspelt? Weil die Reservisten dort erstens seit zehn Jahren den Volkstrauertag mitgestalten (diesmal am Sonntag, 19. November). Und weil sie, zweitens, den Winterspeltern danken möchten dafür, dass sie bereits mehr als 10 000 Euro gesammelt und gespendet haben, für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Eintritt zur Vorführung in Winterspelt ist frei. Spenden sind natürlich weiter willkommen, alle Einnahmen des Abends werden ebenfalls dem Volksbund zur Verfügung gestellt.KommentarMeinung

 Theaterakteure als Bauern auf dem Acker.

Theaterakteure als Bauern auf dem Acker.

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So macht man das!Die Reservisten von der Schneifel sind ein gutes Beispiel - und es gibt noch mehr davon in der Eifel - dafür, wie man mit der faschistischen, rassistischen, mörderischen Vergangenheit umgehen kann: geschichtsbewusst und verantwortungsvoll. Sogar im besten Sinn kreativ. Solche Initiativen zeigen: Man kann das auf eine würdevolle Weise tun, ohne vor irgendwem in ewiger Scham zu Kreuze zu kriechen. Zumal die heutigen Akteure jene schrecklichen Zeiten nicht mehr miterlebt und schon gar keine Verbrechen mitzuverantworten haben. Ihr Beispiel gehört all denen ans Brett vorm Kopf genagelt, die heutzutage glauben, mit demagogischen Begriffen wie "Schuldkult" und ähnlichen Hassreden Politik machen und die Vergangenheit auf diese Weise entsorgen zu können. f.linden@volksfreund.de

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