Der Vater aller Verräter

Trier · Alexander Ourth lässt in "Judas" im kleinen Saal der Tufa den Urvater aller Sünder zu Wort kommen.

Trier (kha) Er ist der Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle, der biblische Inbegriff eines Verräters, dessen Name so eng mit seinen Taten verwoben ist, dass einem der bloße Klang wie ein Brandmal erscheint: Judas. Der Mann, dessen Geschichte man irrtümlicher Weise bereits zu kennen glaubt, der Jesus mit einem Kuss an die Römer verriet und damit unmittelbar verantwortlich ist für den Tod des Messias.
Aber so einfach ist es nicht. Ulrich Westermann gibt Judas in der gleichnamigen Inszenierung von Alexander Ourth ein Gesicht. Auch wenn dieses Gesicht eigentlich nie zu sehen ist, denn Judas sitzt hier oberkörperfrei, mit dem Rücken zum Publikum auf einem wackelig von der Decke hängenden Drahtboden.
Vor ihm ein Gitter, an der Wand dahinter ein Kreuz. Die Füße bohren sich in die Metallstäbe, er bebt am ganzen Körper und seine Stimme überschlägt sich zitternd immer dann, wenn die Trommeln einsetzen und den zerreißenden Konflikt dieses Menschen, der zum Signum des Bösen geworden ist, auch akustisch untermalen. Er ist ein Mann im Käfig, gefangen in sich selbst. Er wollte Jesus nicht tot sehen, er wollte ihn wachrütteln, diesen von Vorsehungen geplagten und von treulosen Seelen verfolgten Gottessohn, dessen menschliche Hülle sich immer weiter aufzulösen schien. Er wollte diesem wortgewaltigen Mann ein Freund sein, mit diesen Worten die Römer niederstrecken, war dabei aber nur einer von vielen.
Eben ein Mensch mit menschlichen Gefühlen wie Eifersucht, Angst und Wut. Darin liegt die Leistung dieses Stückes. In der für den Zuschauer irritierenden Dialektik, so viel über den Menschen hinter dem Namen zu verraten, aber dennoch sein Gesicht zu verbergen. Westermann spielt so voller Leidenschaft, legt so viel Seele in die von Zweifeln geplagte Figur und arbeitet so versiert mit der Emotionalität seiner Stimme, dass ein ebenso kurzweiliger wie interessanter Monolog entsteht. Umgesetzt mit unkonventionellen Mitteln lässt er das verborgene Gesicht fast schon vergessen. Und schließlich erklärt Judas selbst: "Gönnen Sie sich einen netten Abend, aber versuchen Sie nicht, etwas über mich zu begreifen".

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