Elementare Lyrik — Steffen Popps Gedichtband "118"

Ausgehend vom Periodensystem der Elemente mit 118 bekannten chemischen Elementen entwirft Popp in seinem Gedichtband eine Art poetisches Periodensystem der Gegenstände — von Salz bis Esprit, von Monster bis Flaum, von Parallelerde bis Kresse und Zeug.

Lyrik kennt keine Grenzen - weder in sich noch in ihrer Wirkung. Wer sich mit Steffen Popps Gedichten beschäftigt, erweitert umgehend seinen Verständnishorizont. Und das immer wieder aufs Neue, wie momentan auch der Gedichtband "118" des 38-jährigen Wahl-Berliners ("Dickicht mit Reden und Augen", 2013) belegt.
Was ist das Besondere an Popps Dichtkunst, das sie nicht nur für die Juroren so interessant macht? Schwer zu sagen, weil nicht wirklich fassbar. Es sind Gedanken oder Gedankenfetzen mit eigenwilliger Zeichensetzung zu Dingen, Gegebenheiten, Umständen, Launen - zu allem, zu scheinbar nichts. Und doch so oft voller ästhetischer Echtheit. Wie könnte man wohl anschaulicher die Verarbeitung eines frischen Fangs auf dem Fischmarkt ausdrücken als so: "Morgenbrise kickt ausgefallene Augen Flossen, stumpfe Schuppen über frühen Fischmarkt." (Aura)
Doch so leicht macht es Popp, der Philosophie und Germanistik studierte und regelmäßig etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Gedichte veröffentlicht, seinem Publikum nicht durchweg. Der gebürtige Greifswalder kann auch anders. Mit fast grausamer Launenhaftigkeit konfrontiert er den Leser urplötzlich mit schweren Geschützen: "Dokus Orkus Mutabor Zickzack Tamtam ruckzuck so sick solo Zahn Niete Cash." (Mutabor). Kurz: Er fordert für manch kauzige Formulierungen ein gleichermaßen unorthodoxes aufnahmebereites Hirn.
Darüber hinaus spielt der mehrfach ausgezeichnete Dichter die ganze Klaviatur der leisen Gefühle rauf und runter, um dann urplötzlich wieder mit Unsinn oder Scheinsinn zu verblüffen. Er experimentiert mit Ausdrucksformen, vermischt Gattungen und verletzt anscheinend permanent unumstößliche Regeln der Dichtkunst.
Sie sind schon besonders, die Gedichte Popps, und vermutlich nicht jedermanns Geschmack. Eines aber sind sie ganz sicher nicht: langweilig!
Frauke Kaberka (dpa)

Steffen Popp: "118", Gedichtband, Kookbooks Verlag Berlin, 144 S., 19,99 Euro.

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