Kurz vor der Rockerrente: Legendäre DDR-Rockband die Puhdys auf Abschiedstournee in Trier

Trier · Maschine, Quaster, Eingehängt, Bimbo und Klaus-ohne-Spitzname - in Ostdeutschland weiß es wohl fast jeder: Das sind die Puhdys. Schon vor der Wende trat die DDR-Rockband auch im Westen auf, am Mittwoch war sie auf Abschiedstournee in Trier. Ein Hauch von Ostalgie in der Europahalle.

Trier. Machen wir doch einmal den Wessi-Test: Nennen Sie bitte drei Lieder von den Puhdys. Wenn Sie jetzt nicht "Alt wie ein Baum", "Geh zu ihr" oder "Wenn ein Mensch lebt" vor sich hinsummen oder womöglich sogar fragen: "Von wem?" -, dann sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit in Westdeutschland aufgewachsen. Denn einem Ostdeutschen erklären zu wollen, wer die Puhdys sind, das ist ungefähr so, als wollte man einem Liverpooler etwas von den Beatles erzählen. Ihre Musik gehörte zum Soundtrack der DDR wie das Tuckern der Zweitakter und das Schnattern von Schnatterinchen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass eine stichprobenartige Umfrage nach der Herkunft des Publikums beim Konzert in Trier ergibt: "Erfurt, Sachsen, Niederlausitz, …" - viele hier haben einen ostdeutschen Migrationshintergrund. Aber es gibt auch die, die schon lange vor der Wende Konzerte im Westen besucht haben, denn als Reisekader und Devisenbeschaffer tourte die Gitarrengruppe seit 1974 auch durch das nichtsozialistische Ausland.

A propos Devisen: Zum Film "Die Legende von Paul und Paula" sollte eigentlich Musik von Slade und den Bee Gees verwendet werden. Um aber die Lizenzgebühren in harter Währung zu sparen, wurden stattdessen die Puhdys engagiert - es war ihr großer Durchbruch. Zwölf Mal wurden sie zur beliebtesten Rockband der DDR gewählt, außerdem mit dem Nationalpreis ausgezeichnet.

Die 13-jährige Corinna aus Aachen, deren Eltern aus Radeberg bei Dresden stammen, ist eine der Jüngsten im Publikum. Drei Tage Urlaub in Trier gönnt sich die Familie, und die Präferenzen sind dabei klar: "Erst die Puhdys, dann die Römer!" Doch als sie den Aachener Bekannten erzählten, dass sie zum Konzert der Puhdys fahren, ernteten sie meist nur ein Achselzucken. Irgendwie ist die Band wie Letscho und Soljanka - inzwischen auch im Westen zu haben, wirklich beliebt aber vor allem bei den Ostdeutschen. Auf ihr Lieblingslied "Das Buch" muss Corinna bis zur Zugabe warten. Vorher gibt es querbeet Songs aus den vergangenen 46 Jahren - die "Perlenfischer" von 1976 ebenso wie den "Ohrwurm" von 2009. Und zum Abschluss natürlich die "Rockerrente" - schließlich ist dies ja eine Abschiedstournee.

Ob die Puhdys 1984, als sie das Lied erstmals sangen, ahnten, dass sie noch mehr als 30 Jahre auf der Bühne stehen würden, inzwischen länger im vereinten Deutschland als in der DDR? Eigentlich sollte zum kommenden Jahreswechsel Schluss sein, mit zwei Konzerten in Berlin, wo dann nicht nur 600 Besucher wie in Trier, sondern jeweils 17 000 erwartet werden. Doch weil die Puhdys mit City und Karat danach als "Rocklegenden" auf Tour gehen, muss die Rente noch ein halbes Jahr länger warten.
Aber da sie in ihrem Lied "In 100 Jahren" fest mit einem zweiten Leben rechnen, kündigt Dieter "Maschine" Birr schon an: "Am 14. Oktober 2115 sind wir wieder hier!"Extra

Puhdys: 1969 gegründete Gitarrengruppe aus der DDR, deren Name die Anfangsbuchstaben der Vornamen ihrer Gründungsmitglieder bilden: Peter, Udo, Harry, Dieter Zweitakter: Motoren in den DDR-Fahrzeugen Trabant und Wartburg Schnatterinchen: gelbe Schnatterente, beste Freundin von Pittiplatsch und Liebling aller Kinder im DDR-Fernsehen Reisekader: Personen, die aus beruflichen Gründen ins nichtsozialistische Ausland reisen durften Devisen: frei konvertierbare westliche Währungen Gitarrengruppe: offizielle Bezeichnung für eine Rockband in der DDR Nichtsozialistisches Ausland: der Wilde Westen jenseits des Eisernen Vorhangs Nationalpreis: Bundesverdienstkreuz - oder so etwas Ähnliches Letscho: ungarisches Gemüsegericht Soljanka: russischer Eintopf daj

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