Fünf Jahre Kommunismus

Trier · Raoul Pecks "Der junge Karl Marx" feiert am Dienstag Vorpremiere in Trier. Action-Kino ist der Film nicht.

Trier Marx war bekanntermaßen vieles: Philosoph, Ökonom, Journalist, Gesellschaftskritiker. Was er - soweit man weiß - eher weniger war: ein Mann der Tat. Marx war viel mehr ein Denkender als ein Handelnder. Ein Film hingegen lebt in der Regel von der Handlung. Wer eine Eintrittskarte fürs Kino löst oder sich auf der heimischen Couch für einen Filmabend einrichtet, der erwartet in der Regel Bewegung, Handlung, Aktion.
Beides, die Figur eines in der Hauptsache Denkenden und den Wunsch des Publikums nach Handlung zusammenzubringen, gerät da leicht zum Spagat. Der Regisseur Raoul Peck ("Fatal Assitence", "Lumumba") hat ihn gewagt und mit "Der junge Karl Marx" einen Film über fünf ausgewählte Jahre aus Leben und Wirken von Karl Marx gedreht. Anfang Februar feierte der Film eine erste Premiere auf der Berlinale, bundesweit läuft der Film am 2. März in den Kinos an. Zuvor aber kommt der junge Karl Marx noch einmal in seine Geburtsstadt, in Trier feiert der Film am Dienstag, 28. Februar, eine zweite Premiere. Zwei Vorstellungen bietet das Broadway-Kino an diesem Tag an, dazu eine Podiumsdiskussion (siehe Extra). Der Termin kommt zur rechten Zeit, laufen doch auch die Vorbereitungen für das Karl-Marx-Jahr 2018 allerorten schon an (der TV berichtete).
Erst mal gibt es also eine filmische Annäherung an den berühmtesten Sohn der Stadt. "Karl Marx, ich bin kein Anarchist", so stellt er sich selbst im Film dem französischen Ökonom und Soziologen Pierre-Josef Proudhon vor (nur kurz nach dem dieser vehement die Anarchie gefordert hatte). August Diehl, bekannt aus Hollywood-Produktionen wie "Ingloriuos Basterds", "Salt" oder "Allied", verkörpert den jungen Marx. Jung meint in diesem Fall die Lebensjahre zwischen 26 und 31. Marx ist frisch verheiratet mit Jenny Marx, geborene von Westphalen. "Die schönste Aristokratin von ganz Trier", wie er sie nennt.
Im Pariser Exil lernt er Friedrich Engels, den Sohn eines Spinnerei-Besitzers, kennen. Engels, von den Bedingungen, unter denen die Arbeiter seines Vaters fristen, zunehmend abgestoßen, findet sich in den Schriften von Marx offenbar wieder.
Persönlich grün sind sich beide erst einmal nicht. "Ein Amateur mit Goldknöpfen" schimpft Marx verächtlich. Eine durchzechte Nacht bringt die beiden einander dennoch näher. Fünf Jahre lang begleitet der Film Marx und Engels durch die industrielle Revolution. Über Paris, London und Brüssel, von Manifest zu Pamphlet zu Flugblatt. Peck verzichtet auf die Opulenz vieler anderer Historienfilme. Farben und Ereignisse treten zurück und machen Platz für die Gedankenwelt von Marx und Engels. Zitate aus Briefen, Büchern und Artikeln, quer über den Film gestreut, versuchen beide Figuren und ihre Ansichten fassbar zu machen.
Die schließlich in der Gründung des Bundes der Kommunisten gipfeln, hervorgegangen aus der Organisation "Der Bund der Gerechten": Dessen Motto "Alle Menschen sind Brüder" geht Marx und Engels nicht weit genug, Zeit für eine Umdeutung: "Arbeiter aller Länder vereinigt euch", der bis heute bekannte Ruf der Kommunisten ensteht. Marx und sein Werben für den frühen Kommunismus sind heute alles andere als unumstritten. Auf die Rezeptionsgeschichte geht der Film jedoch nicht ein. Das muss er auch nicht, ein Blick auf die Anfänge seines Wirkens und die Umstände, unter denen die Marx'schen Thesen und Manifeste entstanden sind, lohnt auch für sich genommen.
Dass das Leben von Karl Marx bisher außer in einigen Dokumentationen noch nicht verfilmt worden ist, ist womöglich kein Zufall. Den Filmemachern ist der Spagat zwischen einer im Wesentlichen als Denker bekannten Figur und dem grundlegenden Bedürfnis nach Handlung im Film vielleicht einfach zu groß. Raoul Peck hat sich getraut. Und auch wenn das Ergebnis kein Blockbuster ist, lehrreich ist es allemal.DAS PROGRAMM ZUR PREMIERE


Extra

(lbe) Nach der ersten, bereits ausverkauften Vorstellung haben Zuschauer um 21 Uhr die Möglichkeit, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Mit dabei sind unter anderem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, der Hauptdarsteller des Films, August Diehl sowie der Trierer Stadtführer Jens Baumeister, der Führungen zum Thema Karl Marx und der Wein anbietet. TV-Redakteur Michael Schmitz moderiert. Um 20 Uhr beginnt eine zweite Vorstellung. Karten gibt es an der Kinokasse oder unter <%LINK auto="true" href="http://www.broadway-trier.de" text="www.broadway-trier.de" class="more"%>

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