"Ich bin ’ne, ich bin ’ne Hengstin" (Fotos)

Trier · Die Punkrock-Band Jennifer Rostock beschert 2000 Zuschauern eine große Party beim Porta³-Festival in Trier. Ein Samstagabend mit mehr als Unterhaltung, denn eine deutliche Botschaft bleibt hängen.

"Ich bin ’ne, ich bin ’ne Hengstin" (Fotos)
Foto: Nicolaj Meyer

Trier Jennifer Weist nimmt sich das Schweißtuch, reibt es über ihren nach vorne gereckten Schritt und streckt die Zunge raus: "O.k., das war ein bisschen übertrieben gerade. Stimmt, wir sind bei einem Konzert, hier sind Leute." Eine laszive Samstagabend-Show bei Porta³, wenn die Sängerin mehr Haut als Stoff zeigt, ihre Hüften dem Publikum entgegenstreckt und kreist. Wenn sie die fliegenden BH kommentiert - jeder BH müsse auf einem Jennifer-Rostock-Konzert nass sein, ihrer auch. Allerdings alles andere als anbiedernd oder billig. Sie setzt ihren Körper bewusst ein, lässt ihn aber nicht benutzen - so zumindest die Botschaft, die nicht nur die im Oktober 2016 veröffentlichte Single "Hengstin" präsentiert: "Ich glaube nicht daran, dass mein Geschlecht das schwache ist. Ich glaube nicht, dass mein Körper meine Waffe ist. Ich glaube nicht, dass mein Körper deine Sache ist."
Das Set geht stark nach vorne. Gitarrenlastiger, eingängiger Punkrock, mit Mitsing-Refrains - etwas seichter arrangiert könnten die Songs wohl überwiegend Radiohits sein. Dennoch bieten die ursprünglich aus Usedom stammenden Musiker den rund 2000 Zuschauern auch andere Facetten. Dabei sind zwei Akustikstücke, wie die Trennungs-Ballade "Irgendwo anders" oder eben die Abschlussnummer "Hengstin" mit pumpenden elektronischen Beats und Bässen. "Jeder hat uns gesagt: So eine tolle Kulisse, vor der ihr hier spielt. Klasse, wir sehen sie nur leider nicht. Stehen ja davor.", scherzt die 30-jährige Weist. Hinter ihr die fast 2000 Jahre alte Porta Nigra im roten Abendlicht.
Immer wieder fordert Weist einen Schnaps ein. Drei Muntermacher, wohl verteilt über das Konzert, sind es dann bis zum Schlussakkord. Der Auftritt ist exzessiv, eine Party: Nach der ersten Konzerthälfte gibt's für die aufgeheizten vorderen Reihen eine besondere Abkühlung. Als würden Wolken vom Himmel fallen, sprühen Kanonen von der Bühne weißen Schaum in die Menge.
Wer geht eigentlich zu einem Jennifer-Rostock-Konzert? Für den Samstagabend lässt sich sagen, die Frauenpower auf der Bühne scheint besonders junge Frauen anzuziehen. Weist steht für Selbstbestimmung, will mit der neuen Single "Hengstin" Mut machen, das eigene Leben in die Hand zu nehmen: "Ich bin kein Herdentier, nur weil ich kein Hengst bin. Ich bin 'ne, ich bin 'ne Hengstin."
Aber nicht nur Mut für Frauen, sondern für eine pluralistische, offene Gesellschaft. Das zeigt sich, wenn sie die Regenbogenflagge, ein Symbol der Schwulen und Lesben, auf der Bühne einhändig schwenkt, wie eine kämpfende Kriegerin.
Beim Song "Ein Schmerz und eine Kehle" fordert sie das Publikum auf, einen großen Kreis zu machen: Sie will den Moshpit sehen (siehe Info), noch mehr Party, und die Fans folgen der Ikone bereitwillig.
"Egal, wo ihr uns seht: Alle Fickfinger in die Luft", gibt Weist den Anhängern als letzte Botschaft mit. Fast mehr als 2000 Mittelfinger strecken sich solidarisch in die Luft. Wie eine Kriegserklärung gegen festgefahrene Gesellschaftsstrukturen, gegen Unterdrückung von Frauen oder gegen Rechtsradikalismus. Jeder darf sich sein eigenes Feindbild ausmalen.Extra: DAS IST DER MOSHPIT

"Ich bin ’ne, ich bin ’ne Hengstin" (Fotos)
Foto: Nicolaj Meyer


Dabei geht es um einen häufig auf Metal- oder Punk-Konzerten vor der Bühne entstehenden Kreis, in dem die Zuschauer tanzen. Entstanden ist "Moshpit" aus dem englischen Kunstwort "mosh", das von den New Yorker Thrash-Metal-Bands S.O.D. und Anthrax seit Mitte der 1980er Jahre geprägt wurde und so viel bedeutet wie "starke Emotionen" oder "Chaos" und dem englischen Wort "pit". Das heißt Grube, Kessel, aber auch so viel wie Abgrund oder Hölle.

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