Musikalische Erinnerung an eine große Liebe

Trier · In "Love Letters" greift Jazz-Künstlerin Lyambiko Liebesbriefe von vor 80 Jahren auf. Sie gibt in Trier ein Konzert.

 Lyambiko. Foto: privat

Lyambiko. Foto: privat

Foto: uwe arens (g_freiz )

Trier Die Jazz-Musikerin Lyambiko tourt mit ihrem neuen Album durch die Lande. "Love Letters" heißt es und ist genau daraus entstanden, aus alten Liebesbriefen, die auf dem Dachboden gefunden wurden. Am 25. Oktober tritt sie in der Tufa in Trier auf.Ihr neues Album "Love Letters" hat ja eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte.Lyambiko Als die Großmutter meines Mannes starb, hat die Familie beim Aufräumen des Nachlasses auf dem Dachboden ein Kästchen mit alten Briefen gefunden. Es waren Liebesbriefe vom Großvater. Meine Schwägerin wollte sie für alle Kinder und Kindeskinder erhalten, hat sie abgetippt, in kleine Bücher gebunden und in der Familie verteilt. Mein Mann hat auch eins bekommen, aber es nie gelesen. Ich habe ihn immer wieder danach gefragt, aber er meinte nur, dass er sich dransetzt, sobald er Zeit dazu hat. Irgendwann habe ich sie gelesen, weil es mich einfach interessiert hat. Und fand es einfach unglaublich. Diese Briefe sind datiert auf die Jahre 1934 bis 1944, und es ist mehr oder weniger die Geschichte, wie sie sich kennengelernt haben, dieser Mann um sie geworben hat, sie ihn schließlich erhört hat. Aber auch, wie sie um ihre Liebe kämpfen mussten. Können Sie etwas über die Lebensumstände der beiden erzählen?Lyambiko Sie war eine Halbwaise und hatte außerdem ein uneheliches Kind. Für damalige Verhältnisse wirklich eine große Sache. Sie hat dann als Kinderkrankenschwester gearbeitet und so Kontakt zu der Pflegefamilie ihres Kindes gehabt. Er hat in einer Käserei gelernt, typisch Schweiz, und war, man könnte fast sagen, ein Leibeigener. Sie hatten keine Gewerkschaft, die sich für sie eingesetzt hätte, er hat wirklich sieben Tage die Woche von früh am Morgen bis spät am Abend gearbeitet. Irgendwann konnten sie durch den Molkereiverband durchsetzen, dass er alle 14 Tage den Sonntag frei bekommt. Das war der einzige Tag, an dem sie sich sehen konnten, und ansonsten mussten sie halt immer schreiben. Diese Geschichte hat mich so gefesselt, das war, als würde man einen Roman lesen. Ich musste mir die Antworten von ihr zusammenreimen, weil es eben nur seine Briefe gab. Es war so eine berührende, tolle Geschichte, und als ich sie fertiggelesen hatte, dachte ich, dass ich eigentlich etwas damit machen müsste. Zu der Zeit waren meine Kollegen und ich gerade am Brainstormen, was unser nächstes Album sein könnte. Und ich dachte nur: Ich will diese Geschichte erzählen. Haben Sie die Liebesbriefe "nur" als Inspiration genutzt oder zitieren sie auch daraus?Lyambiko Es war einfach eine Inspiration. Musikalisch habe ich nach Stücken gesucht, die die Geschichte aus dieser Zeit heraus erzählen könnten. Jazzstücke, die aus der Zeit stammen. Lieder, die sie gehört haben könnte oder die er gesungen haben könnte. Ich wollte aber auch den Bogen ziehen ins Hier und Jetzt und meine eigene Geschichte miteinbringen. Dafür habe ich auch eigene Musik geschrieben mit den Kollegen zusammen.Ist ihnen beim Lesen der Briefe was aufgefallen, war die Liebe früher eine andere?Lyambiko Heute ist man sehr schnell mit Liebesbekundungen, und genauso schnell kann man sie auch wieder entziehen. Insgesamt ist alles sehr schnelllebig. Damals haben die beiden sich einfach gefunden, lange Zeit konnten sie nicht zusammenkommen, aber sie haben sich Briefe geschrieben und Tag für Tag ihre Liebe eingestanden. Da ist ein großer Unterschied. Was ich für mich aus der Lektüre dieser Briefe herausgezogen habe, ist, eigentlich sollte jeder sich mal wieder hinsetzen und so einen richtigen Brief schreiben. Das muss noch nicht mal ein Liebesbrief sein, sondern einfach an jemanden, der einem am Herzen liegt. Wir leben heute in einer Zeit, in der Kommunikation das A und O ist, wir haben WhatsApp, Facebook-Chats und E-Mails, die fast schon wieder Klassiker sind - wir schreiben heute doch viel öfter und mehr liebe Worte an andere. Was ist denn der Unterschied zum Liebesbekunden per E-Mail im Gegensatz zu einem Brief?Lyambiko Ich finde, solche Worte sind heute schnell hingeschrieben, aber sind sie dann auch wirklich so gemeint? Vieles scheint mir eher Floskel. Wenn früher zwei Menschen einander ihre Liebe geschworen haben, dann war das auch endgültig oder zumindest endgültiger als heutzutage. Und was könnte das Schreiben eines Briefes da bewirken?Lyambiko Man kann sich auf die Dinge besinnen, die einem wichtig sind. Manchmal sind wir so im Hamsterrad drin, dass man gar nicht mehr die Muße hat, zu sich selbst zu finden. Oder zu überlegen, wer bin ich, wo steh ich, und was will ich? Was erwartet den Zuhörer denn beim Konzert in der Tufa Trier mit diesem neuen Album?Lyambiko Wir haben das Thema verarbeitet mit Jazzstandards, die wir in unserer Art und Weise interpretieren, wir spielen Eigenkompositionen und auch nicht nur Stücke vom neuen Album. Es wird eine bunte Mischung. Die Musik entwickelt sich ja auch noch, das ist nicht alles in Stein gemeißelt. Stefanie Braun Karten gibt es im TV-Service-Center Trier. Interview Lyambiko

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