Musiker Tim Bendzko verrät im TV-Interview, wann er die Musikkarriere an den Nagel hängen würde

Trier · Er wollte „Nur noch kurz die Welt retten“, kam aber dann zur Einsicht: „ich bin doch keine Maschine“. Sänger Tim Bendzko (32) spielt mit Band am 29. April in der Arena Trier. Vorher sprach er noch mit Redaktionsmitglied Nicolaj Meyer über Regenschauer in der Moselstadt, soziales Engagement und Jan Böhmermanns Kritik an moderner Popmusik.

Am 29. April kommen Sie in die Arena Trier. Haben Sie bereits Assoziationen mit der Moselmetropole?

Bendzko Ja, ich habe sehr gute Erinnerungen: Am Anfang des Open-Air Konzerts 2012 im Amphitheater in Trier habe ich versprochen, dass es während des Konzerts in Trier nicht regnen wird. Hingegen hatten die Wetterdienste Unwetter gemeldet. Und in der Sekunde, in der ich die Bühne verlassen hatte, fing es dermaßen an zu regnen, dass ich ein bisschen das Gefühl hatte, dass die Welt gleich untergeht. Das war dann gutes Timing.

Ihre Platte klingt organischer als aktuelle Werke von Kollegen im selben Genre. Warum haben Sie sich bei der Produktion gegen Samples, vorgefertigte Beats oder digitale Chöre entschieden?

Bendzko Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass sich alles immer mehr aneinander angleicht. Gefühlt gibt es technischer Natur immer mehr Möglichkeiten, was man so machen kann. Ich habe gedacht, wenn man Musik machen möchte, die nah an dem ist, was in einem vorgeht, darf das gerne auch organisch sein - und das ist auch irgendwie gelungen, habe ich das Gefühl.

Sie haben dabei auch selber produziert. Ist das ein großer Spaß oder harte Arbeit?

Bendzko Weder noch. Ich hatte währenddessen Spaß, aber es ist eine andere Verantwortung. Gerade nach so zwei erfolgreichen Alben, man macht sich ja immer selber ein bisschen Druck. Das ist eigentlich unsinnig, an so einem Punkt zu sagen, man macht das selber, weil es eigentlich gefühlt ein Schritt zurück ist. Mir war wichtig, dass die Songs auf dem Album eine Bewandtnis haben für mich und nicht einfach irgendwelche Songs sind. Und dachte, wenn ich das nicht selber mache, dann drücke ich mich vor Arbeit. Und am Ende des Tages ist es so, wenn jemand anders das produziert hätte, würde ich auch daneben sitzen und ihm erklären, wie ich es gerne hätte.

Haben Sie sich seit jeher mit der notwendigen Technik beschäftigt oder dafür extra gelernt?

Bendzko Ich bin, was technische Sachen angeht, relativ talentiert. Das dauert eine Stunde, dann weiß ich, wie so ein Gerät funktioniert. Egal ob das Musikschnittprogramme sind oder Filmschnittprogramme, das kapiere ich relativ schnell. Ich habe es aber auch schnell wieder vergessen (lacht).

Glaubt man dem Namen Ihrer Tour, haben Sie sich mit der Menschlichkeit besonders auseinandergesetzt. Was macht es für Sie aus, "Immer noch Mensch" zu sein?

Bendzko Das Wort Menschlichkeit ist ein entscheidender Punkt. Das heißt auch mal, zuerst auf den Nachbarn zu gucken und dann auf sich selbst. Man hat so die letzten Jahre das Gefühl, dass das so ein bisschen verloren geht. Oft geht es um Neid, gerade wenn man sich in sozialen Netzwerken umschaut. Da ist dann oft die Angst, dass jemand anders mehr haben könnte. Egal ob jemand etwas Tolles geschafft hat oder einen schönen Urlaub macht. Da sind dann neun von zehn Kommentaren in die Richtung: Das hätte ich jetzt gerne auch oder warum habe ich das nicht. Das finde ich ein bisschen bedenklich. Was interessiert mich, was jemand anders hat. Kann ich mich doch für ihn freuen, wenn er etwas Schönes hat.

Steckt da bei Ihnen sogar ein religiöser Hintergrund oder reiner Humanismus?

Bendzko Man muss dafür nicht religiös sein, um ein bisschen Mitmenschlichkeit zu fühlen. Man lässt sich gerne von Dingen blenden, von denen man glaubt, sie zu brauchen, um ein glücklicher Mensch zu sein. Am Ende braucht man aber vor allem Menschen um sich, die einen lieben. Wir kriegen vorgegaukelt, dass es nur noch darum ginge, Sachen zu kaufen.

Irgendwann ist man nicht mehr so richtig bei sich und vergisst möglicherweise, was einen eigentlich glücklich macht.
Was ist für Sie ein guter und was ist für Sie ein schlechter Song?

Bendzko Man macht ihn an und fühlt, ob er einem gefällt oder nicht. Es gibt keine Grundregel für einen guten oder schlechten Song oder irgendwelche Parameter, an denen man das messen kann. Entweder es berührt einen oder eben nicht. Wenn ich ein Analysekonzept hätte, wäre das der Tag, an dem ich aufhören würde, Musik zu machen. Das ist ja das Schöne, Magische an der Musik, dass man nicht steuern kann, wann einen ein Song berührt und in eine Stimmung versetzt, mit der man vielleicht nicht gerechnet hat.
Wenn man das berechnen könnte, wäre das sehr traurig. Ich habe tatsächlich kürzlich den ein oder anderen deutschsprachigen Song gehört, bei denen ich den Eindruck hatte, Künstler hatten sich Gedanken gemacht, dieses oder jenes könnte funktionieren, um einen Song in die Charts zu bringen.

Gerade das war Thema in einer von Jan Böhmermann angestoßenen Diskussion: Er machte sich über den Echo und die deutsche Musikindustrie lustig. Unter dem Namen Jim Pandzko hat er dann einen Song veröffentlicht, um auf leere Worthülsen und Unverfänglichkeit der modernen Popmusik hinzuweisen. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen? Angebrachte Kritik oder Quatsch?

Bendzko Es ist beides. Kritik an Worthülsen in der Popularmusik ist berechtigt, aber es ist natürlich eine Geschmackssache. So ist mein aktuelles Album für mich floskelfrei, es ist aber total klar, dass es sehr viele Menschen gibt, für die das nur Floskeln sind. Es ist eine Sache der Perspektive. Schwierig finde ich es, Max Giesinger vorzuwerfen, dass seine Musik Kommerz ist. Denn kein einziges Mayor-Label wollte Max Giesinger unter Vertrag nehmen und sich Max glaube ich zehn Jahre den Arsch abgespielt hat, um dann irgendwann mal im Radio zu laufen - und es dann letztendlich geschafft hat. Eine persönliche Fehde dann im Fernsehen auszutragen, ist ein bisschen am Ziel vorbei geschossen.

Ein kleiner Themenwechsel zurück in Ihre Vergangenheit: Sie waren mal talentierter Kicker in jungen Jahren, aktiv beim 1. FC Union Berlin. Warum nun lieber Musik als Fußball?

Bendzko Mit Musik habe ich das gefunden, was mich erfüllt. Fußball finde ich auch toll, aber es war klar, dass ich niemals Profi werden würde und es auch nicht erstrebenswert fand, weil es auch klar ist, dass das zeitlich begrenzt ist. Mit Anfang 30 ist das dann vorbei und man fängt dann quasi bei null an - zusätzlich immer die Gefahr, dass dir drei Mal das Kreuzband reißt und dann alles vorbei ist. Mir macht es nun viel mehr Spaß, das im Fernsehen zu verfolgen.

Sie verfolgen den Sport also regelmäßig. Wann wird denn die Bundesliga nochmal spannend?

Bendzko Für mich als Bayern-Fan ist es sehr spannend. Natürlich darf Bayern gerade noch in anderen Sphären spielen, aber das wird sich sicherlich mal wieder ändern. Dort beenden bald einige die Karriere und der Umbruch bei den Münchnern bleibt spannend. Außerdem ist spannend, dass sich ein Großteil der Liga im Abstiegskampf befindet und gerade die Plätze hinter Bayern sind hart umkämpft. Das wirft die Idee über Bord, dass Geld die Liga regieren würde. Das stimmt ja einfach nicht. Hoffenheim und Leipzig haben einfach einen geilen Trainer und eine geile Idee Fußball zu spielen.

Das ist eine Meinung, die nicht jeder teilen wird, gerade in Bezug auf RB Leipzig.

Bendzko Das ist bei Köln oder Hertha nicht anders. Hier haben die Trainer die Klubs stabilisiert und nach oben geführt. Geld ist nicht der erste wichtige Faktor, sondern eine gute Idee und eine gute Führung sind es.

Zum Abschluss, haben Sie einen Film, eine Serie oder einen Buchtipp für unsere Leser?

Bendzko House of Cards, eine Serie, die sollte man gesehen haben. Man kann da auch was lernen, auch wenn es nicht nur Gutes ist. Dieses klassische Eine-Hand-wäscht-die-andere-Ding. Jeder Gefallen, den man sich einfordert, fordert irgendwann auch mal jemand zurück. Und wenn man das weiß, erspart man sich vielleicht mal den ein oder anderen Gefallen, den man sich erbittet.

Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 sowie unter www.volksfreund.de/tickets

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