Literatur Schräge Vögel, Schwachsinn, Sprachkunst

Sven Regener hat einen neuen Roman: „Wiener Straße“ fügt sich in die Lehmann-Story ein. Unser Autor hat sich das Buch durchgelesen.

 Autor Sven Regener hat einen neuen Roman verfasst

Autor Sven Regener hat einen neuen Roman verfasst

Foto: (g_kultur

P. Immel, H.R. Ledigt, Karl Schmidt und natürlich Frank Lehmann. Die Arsch-Art-Galerie, eine heruntergekommene Kneipe, ein besetztes Haus, ein ehemaliger Intimfriseurladen, die Wiener Straße, Kreuzberg. Apfelkuchen wie bei Muttern, ein Schwangerschaftssimulator (Umhänge- oder Mitfühlbauch), eine Kettensäge, ein gefällter Baum.

Seitenlange Sätze, Gedankenlabyrinthe, Schwachsinn. Und offensichtlich wieder nur einer, der in der surrealen Welt aus Extrem- und Aktionskünstlern, Hausbesetzern, Punks, Loosern, einem geschäftstüchtigen Schwaben, einer Berufsnichte, einem nervtötenden Taxifahrer und einem Kontaktbereichsbeamten den Durchblick und einen kühlen Kopf behält. Sven Regeners neuester Roman "Wiener Straße" knüpft zwar nicht chronologisch an die Lehmann-Trilogie (Herr Lehman, 2001; Neue Vahr Süd, 2004; Der Kleine Bruder, 2008) und die Nebenepisode Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt (2013) an. Es fügt sich vielmehr in die Lehmann-Story ein.

Zu dem Zeitpunkt, als der Protagonist im chaotischen Kreuzberg der 80er-Jahre gerade Fuß fassen will, im Café Einfall einen Job und darüber einen Platz in der WG bekommen hat. Aber diesmal steht Frank Lehmann, der große Denker, nicht im Mittelpunkt, sondern ist nur eine von mehreren gleichberechtigten Figuren. Oder besser: ziemlich schrägen Vögeln. Aber die kennt man ja schon. Und kann sich daher gedankenlos auf den surrealen Kosmos und Regeners Sprachkunst einlassen, schmunzeln und genießen. Kostprobe: Er zog eine Flasche Bier heraus. "Das war da drin?" fragte Frank ungläubig. "Eine Flasche Bier? Das soll Kunst sein?" "Jetzt nicht mehr!" sagte Karl.

290 Seiten. Ein Trip, der wie im Flug vergeht. Doch Vorsicht! Nach dem erneut sehr amüsanten und kurzweiligen Eintauchen in diese Parallelwelt kann es gut sein, dass man Lust verspürt, heute mal was ganz anderes zu machen, als der Alltag ansonsten so hergibt. So was nennt man dann wohl subversiv. Mario Hübner

Sven Regener: Wiener Straße, Verlag Galiani Berlin, 2017

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