Ein Schritt im Kampf gegen den Krebs

Luxemburg · Luxemburger Wissenschaftler entdecken mit bahnbrechender Untersuchung neue Wege zur Behandlung der Krankheit.

 Dirk Brenner in seinem Forschungslabor an der Uni Luxemburg. Foto: privat

Dirk Brenner in seinem Forschungslabor an der Uni Luxemburg. Foto: privat

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Dirk Brenner ist bescheiden. Er weiß, dass die Erkenntnisse seiner zweijährigen Forschungsarbeiten durchaus revolutionär sind. Doch er bremst die Euphorie. "Unsere Ergebnisse sind in erster Linie grundlegende Erkenntnisse, die wir auf die verschiedenen Erkrankungen übertragen werden. Es ist noch viel kleinschrittige und zeitaufwendige Forschungsarbeit nötig, bis Patienten von dieser Forschung profitieren können", sagt der in Wittlich geborene Krebsforscher.

Seit zwei Jahren arbeitet Brenner am Institut für Gesundheit in Luxemburg, ist Forschungsleiter im Bereich Infektion und Immunologie. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist das Erforschen des Stoffwechsels von Immunzellen.

Man erhoffe sich durch solche Studien Erkenntnisse darüber, wie man etwa bei Autoimmunkrankheiten - zum Beispiel Multiple Sklerose oder Arthritis - krankheitserregende Teile des Immunsystems quasi abschalten könnte. Autoimmunerkrankungen liegt eine Fehlsteuerung des menschlichen Immunsystems zugrunde. Fehlgesteuerte Immunzellen greifen körpereigene Gewebe oder Zellen an.

Brenner: "Wenn die körpereigene Abwehr zu aktiv ist, richtet sie sich gegen den Körper. Ist sie zu schwach, können unkontrollierte Infektionen oder Körperzellen, die sich ungebremst vermehren und Tumore bilden, zur lebensbedrohlichen Gefahr werden." Die Forscher erhoffen sich nun, durch gezielte Eingriffe in den Stoffwechsel von Immunzellen diese bei der Abwehr eines Tumors zu unterstützen, was, so Brenner, "neue Wege zur Behandlung von Krebs ermöglichen könnte". Immunzellen hielten im Normalfall eine Art "alarmbereiten Winterschlaf", bei dem ihr Energieverbrauch auf ein Minimum reduziert sei. "Wenn Krankheitserreger oder Teile davon an ihre Außenhülle andocken, wachen die Zellen auf und intensivieren ihren Stoffwechsel." Dadurch entstünden verstärkt Abfallprodukte, die giftig für die Zellen sein könnten.

Je höher die Anzahl dieser von den Zellen produzierten giftigen Stoffe, desto mehr dagegen wirkende Stoffe müssten diese produzieren, um nicht von innen vergiftet zu werden.

Bislang habe noch keine wissenschaftliche Arbeitsgruppe diese Wirkungsmechanismen im Detail untersucht, sagt Brenner, der, bevor er 2015 nach Luxemburg kam, am Krebsforschungszentrum in Heidelberg und am Ontario Krebsinstitut im kanadischen Toronto gearbeitet hat. In Luxemburg befinde sich die biomedizinische Wissenschaft im Aufbau, sagt Brenner, der in Bergweiler (Kreis Bernkastel-Wittlich) aufgewachsen ist. Das biete die Möglichkeit, an diesem Aufbau mitzuwirken und diesen zu beeinflussen. "Man kann es in etwa mit einem aufstrebenden, neugegründeten ,Startup'-Unternehmen vergleichen: Riskant, aber es ist immer etwas los."

Brenner und sein Team fanden heraus, dass von Krankheitserregern angegriffene Immunzellen den Stoff Glutathion nicht nur als Entgiftung zur Beseitigung der schädlichen Stoffe bilden. Glutathion sei relevant für verschiedenste Erkrankungen. "Diese faszinierenden Ergebnisse bilden eine Basis, um gezielt in den Stoffwechsel von Immunzellen einzugreifen und eine neue Generation von Immun-Therapeutika zu entwickeln", erklärt Markus Ollert, Direktor des Fachbereichs für Infektionen und Immunität an der Uni Luxemburg. "Unsere Forschung zielt auf die Entwicklung neuer Medikamente ab, die sogenannten Immuntherapeutika. Diese Stoffe verändern die Funktion des Immunsystems, und zwar in dem Sinne, dass es dem Krankheitsverlauf besser entgegenwirken kann."

Geforscht haben die Wissenschaftler allerdings nicht an Menschen, sondern an Mäusen. Und zwar an gentechnisch veränderten Mäusen. Bei den Tieren war durch die Veränderung in den Immunzellen ein bestimmtes Gen ausgeschaltet. "Bei diesen Mäusen haben wir festgestellt, dass sie Viren nicht in Schach halten können - sie haben eine Immunschwäche, die aber andererseits dazu führt, dass sie auch keine Autoimmun-Erkrankung wie Multiple Sklerose entwickeln", erklärt Brenner. Als Grund dafür haben er und sein Team erkannt, dass die Tiere nicht den Stoff Glutathion produzieren. Die Folge sei gewesen: Ohne den Stoff verharrten die Zellen in ihrem Ruhezustand, dem Winterschlaf. "Eine selbstzerstörende Autoimmunreaktion unterbleibt."

Ziel sei es nun, Medikamente zu entwickeln, die genau diese Reaktion beim Menschen hervorrufen können. "Wir stehen erst am Anfang", sagt Brenner. Der Eingriff in den Stoffwechsel von Immunzellen als Therapiemöglichkeit sei aber "ohne Zweifel ein attraktiver Ansatz".

Und womöglich ergibt sich daraus auch eine Möglichkeit, Krebs besser zu heilen. "Auch hier ist es wichtig zu wissen, wieso die Immunzellen, die eigentlich Krebszellen bekämpfen müssten, durch ihre Reaktion die Abwehr gegen den Tumor sogar aktiv unterdrücken."

Medikamente, die den Stoffwechsel der Zellen anregten, könnten damit also zu einer besseren Bekämpfung des Krebses führen, sagt Brenner.Extra: DAS INSTITUT FÜR GESUNDHEIT

(wie) Das Luxembourg Institute of Health (Gesundheitsinstitut) ist ein öffentliches Forschungsinstitut für biomedizinische Wissenschaften. Der Forschungsschwerpunkt des Instituts liegt in der öffentlichen Gesundheit, Krebserkrankungen, Infektion und Immunität. An der Einrichtung arbeiten nach Angaben der Hochschule mehr als 300 Personen. Ihr Ziel sei das Wissen über Entstehungen von Krankheiten voranzutreiben und neue Diagnoseverfahren, innovative Therapieansätze und Möglichkeiten für die personalisierte Medizin zu entwickeln.

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