"Der Schuss ging nach hinten los"

Daun/Jünkerath · Die Bürgerbefragung im Kreis Vulkaneifel zur Kommunalreform ist ausgezählt: Nach Bekanntgabe des Ergebnisses zweifeln viele an ihrer Aussagekraft. Die Kreisbeigeordneten werten das Resultat hingegen als positiv.

 Gebündelte Listen, die aber schon Geschichte sind. Denn sie wurden unmittelbar nach der Auswertung geschreddert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Gebündelte Listen, die aber schon Geschichte sind. Denn sie wurden unmittelbar nach der Auswertung geschreddert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (e_daun )

Daun/Jünkerath Alles eine Frage der Perspektive - auch was die Einschätzung des Ergebnisses der Bürgerbefragung zur Zukunft des Kreises angeht. Daran hatten 6695 der insgesamt 53 000 Bürger ab 14 Jahren teilgenommen (etwa zwölf Prozent), 6111 stimmten mit "Ja" für die Erhaltung des Vulkaneifelkreises und gegen die grenzüberschreitende Fusion der Gemeinden von Hallschlag bis Gönnersdorf mit der Verbandsgemeinde (VG) Prüm (Eifelkreis Bitburg-Prüm). "Wenn das Land das Ergebnis dieser Umfrage berücksichtigt, dann zweifel ich an der Demokratie", sagt Dirk Weicker, der parteilose Ortsbürgermeister von Hallschlag. "Ist doch lächerlich." Die Hallschlager wollen, wie die anderen zehn Gemeinden in der VG Obere Kyll, nach Prüm wechseln - in den meisten Orten haben sich die Bürger bei Entscheiden mit durchweg sehr hoher Beteiligung dafür ausgesprochen. Darauf verweist auch VG-Bürgermeisterin Diane Schmitz (parteilos):"An den Befragungen in den Dörfern haben sich teilweise um die 90 Prozent der Bürger beteiligt, während es kreisweit gerade mal knapp über zehn Prozent waren. Aus meiner Sicht ein sehr schwaches Ergebnis. Ganz offenbar besteht kein großes Interesse an dem Thema Zukunft des Kreises."
Alois Manstein (CDU), der 1. Beigeordnete des Kreises, ist hingegen "außerordentlich zufrieden" mit dem Ergebnis. "Wir haben uns mit der Vulkaneifel einen guten Namen erarbeitet, da wäre es mehr als bedauerlich, wenn der Kreis zerfallen würde." Auch Dieter Demoulin (2. Kreisbeigeordneter) wertet das Eregbnis positiv. Er hatte in der Diskussion um die Befragung keine einfache Situation. Denn seine Partei, die SPD, hatte sich bei der Entscheidung im Kreistag enthalten, aber Demoulin war ein Befürworter. "Ich habe die Partei in diesem Fall außen vor gelassen und zusammen mit dem Landrat und den Beigeordneten-Kollegen für die Befragung geworben." Christoph Bröhl (FWG, 3. Kreisbeigeordneter), sagt: "Ich finde es ganz toll, wie wir uns im Kreistag in dieser Sache zusammengerauft haben. Das tut dem Kreis gut."
In der aktuellen Umfrage sei es nur "um eine Bauchentscheidung" für den Kreis gegangen, sagt Hallschlags OB Weicker, aber nicht um politische Fragen. Zum Beispiel sei auf dem Befragungsbogen überhaupt nicht berücksichtigt worden, warum die Obere Kyll mit Prüm zusammengehen will. Außerdem wüsste Weicker gern, wie viel die Befragung gekostet hat - da bestehe doch der Verdacht, dass man mit dem Geld aus der Kreisumlage "liederlich" umgegangen sei.
"Für den massiv betriebenen Aufwand", ergänzt Stadtkylls Ortsbürgermeister Harald Schmitz (FWG) "ist das kein repräsentatives Ergebnis. Im Fußball würde man sagen: eine Schlappe."
Seine Erwartungen, sagt Reuths Ortsbürgermeister Ewald Hansen (SPD), seien in punkto Beteiligung noch unterboten worden: "Ich hätte damit gerechnet, dass sich mindestens 10 000 bis 12 000 Bürger beteiligen. Das hier ist außerordentlich dürftig." Und es zeige, dass das Schicksal der Oberen Kyll, aber auch von Hillesheim und Gerolstein, den meisten Bürgern egal sei.
"Der Schuss ging nach hinten los", urteilt Tim Steen aus Gerolstein. "Anders als bei der verhinderten Sparkassenfusion war die Beteiligung sehr mau. Daraus wird man in Mainz den Schluss ziehen, dass der Vulkaneifelkreis aufgelöst werden kann. Die Politiker vor Ort sollten sich jetzt darauf konzentrieren, die Eifel als Ganzes voran zu bringen und nicht im Kirchturmdenken verharren", sagt der Sprecher der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Grüne.
Mau oder nicht - "Jede und Jeder hatte die Möglichkeit, teilzunehmen", sagt Bernhard Saxler aus Utzerath. Demzufolge sei "die Zahl von 6111 Pro-Stimmen repräsentativ, also über 90 Prozent" .
Eben nicht, findet hingegen Walter Kloep aus Hillesheim: Bei zwölf Prozent Beteiligung "von einem repräsentativen Ergebnis zu sprechen, ist wohl mehr als übertrieben." Seiner Meinung nach sollten sich die Verantwortlichen lieber fragen: "Warum haben sich fast 78 Prozent nicht beteiligt und warum neigen immer mehr Menschen zu Politikverdrossenheit?"
Repräsentativ? "Für wie blöd werden wir gehalten?", fragt Walter Schmidt (CDU), Ortsbürgermeister in Gönnersdorf. "Ich bin sprachlos. Klasse, Herr Thiel - Tusch!"KommentarMeinung

Konfetti
Eine unterwältigende Minderheit der Kreis-Einwohner hat sich an einer massiv beworbenen und satte zwei Monate hingezogenen Umfrage beteiligt. Und von diesen zwölf Prozent haben dann 91 Prozent die Antwort gegeben, auf die der Befragungsbogen sie rhetorisch hinmanipuliert hat. Aufgerufen waren, daran sei erinnert, nicht nur die Wahlberechtigten. Sondern alle ab 14 Jahren. Bei einem amtlichen Bürgerentscheid müssen übrigens 20 Prozent der über 18-Jährigen mitmachen, sonst zählt er nicht. Insgesamt will also etwa ein Zehntel der Bürger den Kreis genau so erhalten, wie er ist. Und das will man uns jetzt als deutliches Votum andrehen. Willkommen in der alternativen Faktenwelt. Und aus der hoffentlich geschredderten Umfrage kann man ja für Rosenmontag Konfetti machen, dann hat sie wenigstens noch einen Sinn. f.linden@volksfreund.deANHöRUNG VON EXPERTEN

Extra

Das umstrittene, für den 1. Januar 2018 vorgesehene Zusammengehen von elf Orten aus der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll ist ein Thema bei einer Sitzung des Innenausschusses des rheinland-pfälzischen Landtags am Donnerstag, 2. März. Experten und Kommunalpolitiker werden gehört, dabei werden die Landräte Joachim Streit (Eifelkreis Bitburg-Prüm) und Heinz-Peter-Thiel (Vulkaneifelkreis) ihre Position darlegen. Was im Fall von Thiel heißt: Er wird darlegen, dass die Mehrheit des Kreistags Vulkaneifel der Auffassung ist, dass die Fusion verfassungswidrig ist. Ebenfalls sprechen werden die vier Bürgermeister der Verbandsgemeinden Prüm (Aloysius Söhngen), Obere Kyll (Diane Schmitz), Hillesheim (Heike Bohn) und Gerolstein (Matthias Pauly). Eine Entscheidung, ob eine Mehrheit der Ausschussmitglieder das Gesetz nach der Anhörung unterstützt, fällt am 2. März nicht. Die Auswertung beraten die Abgeordneten in einer späteren Sitzung und endgültig dann im Landtag.

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