Ein Prosit auf die Prümer Vergangenheit

Prüm · Die Archäologen vermuten bedeutende Spuren in der Hahnplatz-Erde. Und finden dort allerhand, darunter auch einen steinalten Bierkrug.

Prüm Das ist mal eine Ansage: In Prüm und am Hahnplatz, "da sind Sie in der europäischen Champions League, was das Früh- und Hochmittelalter angeht." Lars Blöck von der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), wissenschaftlicher Grabungsleiter des Rheinischen Landesmuseums Trier, hat den Satz fast nebenbei ausgesprochen, als ihn der TV dieser Tage fragte, wie es um die Arbeiten am Hahnplatz stehe. Aber er dürfte den Prümern in Erinnerung rufen, wieviel Geschichte sie geerbt haben (siehe "Info"). Das ist auch der Grund, warum die Archäologen seit einigen Wochen den Inhalt jeder einzelnen Baggerschaufel genau unter die Lupe nehmen.Klar, das hält die Arbeiter der Firma Schnorpfeil beim Umbau des Prümer Herzstücks auf. Manchmal stehen sie dann daneben und können nichts tun. Aber Blöck und Kollegen wollen den Betrieb nicht stärker einbremsen als unbedingt nötig: "Wir könnten hier zum Beispiel ein Grabungsschutzgebiet einrichten", sagt er. Aber das wolle man eben nicht. Stattdessen arbeiten die Archäologen mit den Bauleuten zusammen und versuchen, alles aneinander vorbei zu balancieren.Bisher fanden sie am Oberen Platz (der TV berichtete) die Reste eines früheren Kalkofens; außerdem eine kleine Scherbe, die ziemlich alt sein dürfte. Am unteren Hahnplatz taten sich Grundmauern auf, die auf die frühere Abtsburg hindeuten oder das ehemalige Zeughaus. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Archäologen, wenn die Arbeit an der Neugestaltung des Platzes vor der Kirche beginnt: Dann wird dort alles großflächig freigelegt, was da noch an Altbeständen ruhen dürfte. Direkt am Regino-Gymnasium - der ehemaligen Abtei - haben sie weitere Spuren freigelegt: "Das ist bisher das Allerspannendste", sagt Lars Blöck. "Dort sind wir im Bereich des alten Klosters und der Kirchenanlage." Er zählt dort bisher fünf verschiedene Bauperioden. Und zwar bis - so seine Vermutung - zurück ins Hochmittelalter, also etwa die Zeit zwischen 1200 und 1400.Und dann habe es noch "einen ganz tollen Fund" gegeben, sagt er, im Bereich der ehemaligen Abtsburg: "Einen fast vollständig erhaltenen Bierkrug." Kein Wunder, irgendwie, in der Eifel. Blöck schätzt, dass der Krug aus glasiertem Steinzeug im frühen 16. Jahrhundert gefertigt wurde. Und: "Der Becher kommt aus Raeren in Belgien. Das haben wir festgestellt anhand der Verzierung und der Form." Wer weiß: Vielleicht hat sich der Prümer Abt ja zwischendurch ein Trappistenbier gegönnt.Fest stehe aber: Der Krug, wenn auch aufgrund von Macken in der Glasur und Fehlern in der Form qualitativ zweite Wahl, zeige, "dass die Abtei - trotz ihres wirtschaftlichen und politischen Niedergangs im 16. Jahrhundert - noch in überregionale Handelsnetze eingebunden war". Mit den meisten Funden hatten sie gerechnet. Aber: "Wir haben hier auch Baustrukturen erfasst, die bisher nicht bekannt waren." Blöck meint die spärlichen Reste einer Pfostenkonstruktion - ein Hinweis auf mittelalterliche Bebauung, die durchaus aus der Karolingerphase stammen könnte. Ob sie allerdings wirklich aus diesem Zeithorizont komme oder gar noch älter sei, "können wir noch nicht sagen". Das müssen weitere Untersuchungen ergeben.Blöck, der an der Universität Freiburg über die römische Besiedelung des Rheintals in den 500 Jahren nach Christus promoviert hat, war diese Woche mehrere Tage in Prüm: weil einer seiner Kollegen Urlaub hatte, aber auch wegen des Zeitdrucks an der Baustelle. Deshalb hat er einen weiteren Mitarbeiter beantragt, insgesamt sei man dann mit sechs Leuten am Hahnplatz. Die Abtei Prüm - es dürfte manch einem wie Öl runtergehen - "das war das höchstrangige Kloster weit und breit", sagt Blöck, "wichtig für den ganzen franko-gallischen Raum. Jedes Loch, das wir hier machen, gibt uns wirklich ganz neue Erkenntnisse." Und wenn man jetzt nicht tätig werde, ergänzt Lars Blöck, "dann sind diese Spuren für immer verloren". KommentarMeinung

Buddeln lassenDie Archäologen wissen, dass man ihnen mit besorgter Gespanntheit zusieht. Weil: Hahnplatz. Eilt. Aber auch wenn sie vermutlich nicht die Prümer Geburtsurkunde von Karl dem Großen aus dem Boden friemeln werden: Wer sich Karolingerstadt nennt, muss das aushalten. Also Zähne zusammenbeißen, wenn es deswegen ein bisschen länger dauert. f.linden@volksfreund.deExtra: VOM GROßEN GLANZ DER FRÜHEREN PRÜMER ZEITEN

Bertrada die Ältere, Urgroßmutter Karls des Großen, stiftete im Jahr 721 die Abtei Prüm. 31 Jahre darauf besetzten Karls Eltern, Bertrada die Jüngere - Enkelin der Älteren - und Pippin der Jüngere, das Kloster mit Benediktinern und gründeten es neu. Die Abtei wuchs zu großer Bedeutung heran, ihr Besitz erstreckte sich über halb Europa. 1222 von Kaiser Friedrich II. zum Fürstentum erhoben, wurde die Abtei 1576 vom Kurfürstentum Trier geschluckt. 1794 vertrieben die Franzosen während der Säkularisation die Mönche aus Prüm und lösten das Kloster auf. Es beherbergt heute das Staatliche Regino-Gymnasium.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort