Politik statt Polonaise

Den Haag · Für unbeschwerten Karnevalsurlaub bleibt keine Zeit: Der Wahlkampf in den Niederlanden geht in die entscheidende Phase. Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders verliert erstmals in den Umfragen. Dreht sich das Blatt?

Den Haag (dpa) Die 150 niederländischen Abgeordneten haben ihren letzten ordnungsgemäßen Sitzungstag hinter sich. Doch an diesem Freitag brechen sie nicht wie viele zum unbeschwerten Karnevals-Urlaub auf. Für sie heißt es vor der Parlamentswahl am 15. März: Politik statt Polonaise.
Mit einer großen Radio-Debatte von neun Spitzenkandidaten hat am Freitag die heiße Phase des Wahlkampfs begonnen. Doch ausgerechnet der Favorit dieser Wahl macht dabei bewusst nicht mit: der Rechtspopulist Geert Wilders. Zuletzt sagte er seine Teilnahme an zwei der wichtigsten Fernsehdebatten ab. Interviews gibt er sowieso höchst selten. Wilders' liebstes Wahlkampfmedium ist und bleibt der Kurznachrichtendienst Twitter.
Möglichkeiten für öffentliche Auftritte sind sowieso begrenzt. Denn der Hardliner mit der platinblond gefärbten Haartolle wird wegen Bedrohungen rund um die Uhr geschützt. Nun setzte er auch diese spärlichen Auftritte aus, nachdem ein Leck beim Personenschutz entdeckt worden war.
Doch das selbst gewählte Abseits Wilders' ist Strategie. In Debatten oder Talkshows müsste er nämlich seine Standpunkte verteidigen. Aber auf Twitter kann er fast alles ohne Widerspruch verkünden. Bislang ging diese Strategie auf. Der harte Kurs des 53 Jahre alten Abgeordneten gegen Islam und EU beherrscht seit Monaten die Debatte. Monatelang war seine Partei für die Freiheit (PVV) unangefochten mit bis zu 20 Prozent die Nummer eins in den Umfragen.
Doch seit einigen Wochen verliert die PVV in den Umfragen, sie liegt nun bei rund 17 Prozent. Der Vorsprung vor der rechtsliberalen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte ist hauchdünn.
Dass Wilders ausgerechnet jetzt die Teilnahme an Fernsedebatten absagt, sehen Wahlstrategen dann auch als Fehler. Denn in den vergangenen knapp drei Wochen vor der Wahl geht es um die Stimmen der rund 50 Prozent unentschiedenen Wähler. "In den letzten Wochen haben sich immer mehr gegen die PVV entschieden", stellte der Politologe Tom Louwerse von der Universität Leiden fest. Er entwickelte den "Peilingwijzer", die Trendanalyse aus den wichtigsten sechs Umfragen.

Immer mehr Wähler haben den Eindruck, dass eine Stimme für den Rechtspopulisten eine verlorene Stimme ist. Denn fast alle etablierten Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihm in einer Koalition von vornherein ausgeschlossen. Zuletzt twitterte Ministerpräsident Rutte im Wilders-Stil: "Das. Wird. Nicht. Geschehen."
"Die Strategie der VVD, die PVV auszuschließen, scheint aufzugehen", stellte das Wahlforschungsinstitut I&O fest. Viele Unentschlossene tendierten dazu, die Partei von Rutte zu wählen, um eine Regierungsteilnahme der PVV zu verhindern.
Wilders ist empört über den "Cordon sanitaire" (Isolationsgebiet), wie er es nennt. "Zwei Millionen Wähler werden von vornherein ausgeschlossen", sagte er unlängst in einem seiner seltenen Fernsehinterviews. Dabei stellt er sich mit seinem Twitter-Wahlkampf selbst ins Abseits. Dort kann er auch am besten gedeihen, sagt der Soziologe Koen Damhuis, der jetzt ein Buch über die Wilders Wähler vorlegte. "Als Außenseiter kann er sich am besten profilieren."
Der Soziologe ist auch davon überzeugt: "Wilders will gar nicht an die Macht kommen." Denn dann müsste er seine Wahlversprechen auch in die Tat umsetzen: Grenzen zu, Islam verbannen, Steuern senken. Das würde im Koalitionsland Niederlande sehr, sehr schwer.
Wilders Lieblingsposition ist es, aus dem Abseits heraus zu punkten. Das aber ist ein riskantes Spiel. Denn er darf seine Stammwähler nicht enttäuschen. Analysen früherer Wahlen zeigen, dass traditionelle Wilders-Wähler am Wahltag zu Hause bleiben, wenn der Stern ihres Idols in den Umfragen sinkt.

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