Gastprofessur in Schwarz-Weiß

Trier · Nahostexperte Michael Lüders hält den Westen für mitschuldig an der Situation in Syrien und Afghanistan. Seine Berufung durch den Freundeskreis der Uni Trier steht deshalb in der Kritik.

Trier Selten war die Stimmung vor einer Gastvorlesung so angespannt wie am Montagabend. Der ehemalige Redakteur und Nahostexperte Michael Lüders - er wurde vom Freundeskreis der Universität Trier für das Sommersemester auf eine Gastprofessur berufen - ist bekannt für deutliche Worte. Für seine kritische Einschätzung zur Rolle des Westens für den Krieg in Syrien erhält er nicht nur Zustimmung. Sein neues Buch "Die den Sturm ernten" sowie Fernseh-Auftritte bei Anne Will und Markus Lanz geben denen Auftrieb, die ihm vorhalten, er verharmlose den Islamismus.
So hatten auch der Asta der Uni Trier, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Trier und der Rosa Salon Trier gemeinsam in einem offenen Brief an den Freundeskreis gegen die Berufung von Lüders protestiert. Sie nennen dessen Gastprofessur "aus wissenschaftlicher und politischer Sicht einen Skandal" und verweisen dabei auf Kritiker, die dem Nahostexperten auch die Missachtung wissenschaftlicher Standards vorgeworfen haben.
So war Alt-Oberbürgermeister Helmut Schröer, Vorsitzender des Uni-Freundeskreises und Moderator am Montagabend, so nervös wie vor keinem der vorangegangenen vier Vortragsreihen durch Gastprofessoren seit 2009. Wenn er Sorge vor lautstarken Protesten hatte, so war diese unbegründet. Die steil aufragenden Sitzränge im Hörsaal 4 waren zwar voll besetzt und konnten nicht alle der mehr als 200 Gäste der Vorlesung fassen. Von einer Ablehnung der Person Michael Lüders war aber zunächst nichts zu spüren.
"Wie nahe ist der Nahe Osten? - Über die Folgen einer verfehlten westlichen Interventionspolitik." Unter diesem Motto stehen die drei Vorlesungen des 57-Jährigen, die einen Bogen spannen vom Sturz Mossadeghs 1953 im Iran bis zum aktuellen Krieg in Syrien. "Wenn man die Dinge alleine aus westlicher Sichtweise betrachtet, ist das ungenügend", lautet eine zentrale Botschaft von Lüders, der in seinem freien und unterhaltsamen Vortrag einige Male zu erkennen gab, dass ihn die heftige Kritik an seiner Person und Arbeitsweise nicht unberührt lässt. Lüders macht geo- und machtpolitisches Streben als Hauptursache für Konflikte und Kriege verantwortlich. "Es ist Mode geworden, die Krisen als religiös motivierte Konflikte darzustellen. Das halte ich für problematisch beziehungsweise für Unfug." Ein Denken in Schwarz und Weiß sei zu einfach.
Lautstarken Protest gegen die Argumente von Lüders gab es an diesem Abend nicht. In der sich dem Vortrag anschließenden freien Diskussion meldeten sich allerdings doch noch die Kritiker der Berufung von Lüders zu Wort. Sie warfen ihm ihrerseits vor, in Weiß und Schwarz zu argumentieren. Zu einem sachlichen Meinungsaustausch kam es allerdings nicht.
Wenn Michael Lüders am 12. Juni und 10. Juli, jeweils um 18 Uhr, seine weiteren öffentlichen Vorlesungen hält, wird er dies in der Gewissheit tun, dass zwar nicht alle im Saal in allen Punkten seine Einschätzungen teilen. Die überwiegende Zustimmung für seine Berufung als Gastprofessor ist ihm aber sicher.
Das zeigt auch das Antwortschreiben der Professoren Hanns W. Maull und Winfried Thaa auf den offenen Brief des Asta. "Den Autoren (…) geht es offenkundig darum, die Freiheit der Wissenschaft an der Universität Trier zu behindern, indem man verlangt, jemanden auszuladen, der unbequeme Meinungen vertritt. Dass die Deutsch-Israelische Gesellschaft in Trier dies mitzutragen scheint, ist beschämend, aber leider nicht überraschend. "
Für weiteren Gesprächsbedarf ist dank einer solchen Äußerung gesorgt.

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