Bundesamt seziert Daimler-Motoren

Brüssel/stuttgart · Eine Kommission des Verkehrsministeriums lässt prüfen, ob sich der Verdacht auf verbotene Abschalteinrichtungen erhärten lässt.

Brüssel/stuttgart Der Diesel-Skandal zieht immer weitere Kreise. Das Bundesverkehrsministerium, das Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius Donnerstag zum Rapport bestellt hatte, hat nun auch im Fall Daimler das Kraftfahrtbundesamt (KBA) eingeschaltet. Die Untersuchungskommission Volkswagen des Ministeriums ordnete an, dass KBA-Experten zwei Motoren des Daimler-Konzerns auf verbotene Abschalteinrichtungen hin untersuchen.
Tags zuvor waren Details des Durchsuchungsbeschlusses bekannt geworden, mit dem die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ende Mai in mehreren Daimler-Objekten Durchsuchungen durchgeführt hatte.
Es geht demnach um mehr als eine Million Autos und Kleintransporter, die von 2008 bis 2016 in Europa und den USA verkauft worden seien. Diese seien mit den Motoren OM 642 und OM 651 wegen der Abschalteinrichtungen auf dem europäischen Markt nicht zulassungsfähig gewesen. Es steht der Verdacht im Raum, dass auch bei Daimler die Fahrzeugsoftware bei Prüfstandbetrieb die Abgasreinigung einschaltet und bei der Fahrt auf der Straße weitgehend ausschaltet.
Daimler wehrt sich. Ein Sprecher teilte mit: "Auf Basis der uns vorliegenden Informationen würden wir gegen den Vorwurf einer illegalen Abschalteinrichtung durch das KBA mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen."
Daimler widerspricht auch ausdrücklich Medienberichten, wonach das Ministerium Daimler mit einer Rückrufaktion gedroht habe.
Dass sich der Diesel-Skandal möglicherweise auf Daimler ausweitet, ist zu trennen von der Debatte um Nachbesserungen beim Euro-5-Diesel. Dabei geht es darum, die unzulässig hohen Stickoxid-Werte in vielen deutschen Innenstädten in den Griff zu bekommen und drohende Fahrverbote abzuwenden.
In seiner Funktion als Präsident des europäischen Automobilverbandes Acea hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei einem Treffen mit dem Vize der EU-Kommission, Jyrki Katainen, am 6. Juli eine EU-weite Umrüstaktion von Euro-5-Fahrzeugen angesprochen. EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska unterstützt die Idee. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt die Polin: "Niemand hat ein Interesse daran, dass der Markt für Diesel-PKW in Europa als Folge von lokalen Fahrverboten kollabiert. Dies würde der Industrie nur die notwendigen Gelder wegnehmen, die sie in die Entwicklung von Null-Emissionsautos stecken muss."
Bienkowska wird nach Informationen unserer Zeitung in den nächsten Tagen Kontakt mit den Autoherstellern aufnehmen und für diese Lösung werben. "Wir müssen Fahrzeuge, die nicht die Grenzwerte einhalten, so schnell wie möglich von der Straße bekommen." Sie setze aber auch "zusätzlich auf freiwillige Maßnahmen der Branche, um den hohen Ausstoß von Stickoxiden durch die Diesel-Flotte zu reduzieren". Die Kommissarin sieht ein Umdenken der Branche: "Es ist erkennbar, dass die Industrie langsam Verantwortung für den Abgasskandal übernimmt. Lieber spät als gar nicht."
Auffällig ist: Die Kommissarin droht nicht, sie wählt höfliche Worte. Rechtlich kann sie aber auch nicht viel ausrichten. Der EU-Kommission fehlen die Kompetenzen, um etwa das Update der Software EU-weit anzuordnen oder durchzusetzen. Dies läge allein in den Händen der Mitgliedstaaten. Noch nicht einmal einen Rückruf von betroffenen Fahrzeugen könnte Brüssel veranlassen.
In Kreisen der Kommission wird der begrenzte Einfluss bedauert: "Wir sind zurzeit noch reduziert auf die werbende und anstubsende Rolle." Die EU-Kommission hat allerdings bereits nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals 2015 versucht, dies zu ändern, und den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, Brüssel mehr Kompetenzen bei der Marktüberwachung und Typgenehmigung zu geben. Dazu hat die Kommission im Januar 2016 einen Gesetzgebungsvorschlag gemacht.
Tatsache ist aber auch, dass die Hauptstädte bremsen. Vor allem die Bundesregierung will sich nicht damit abfinden, dass Brüssel mehr Kompetenzen bekommt. EU-Verkehrspolitiker hoffen, dass bis Jahresende eine Einigung zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten zu erzielen ist. Der Ball für die Umrüstung von Euro-5-Dieseln liegt also vor allem in den Mitgliedstaaten. Eine gesamtdeutsche Lösung soll beim Diesel-Gipfel von Politik und Branche am 2. August in Berlin erarbeitet werden.
Derzeit erfüllen nur knapp ein Fünftel der Diesel-Fahrzeuge die Euro-6-Norm. Diskutiert wird, dass Euro-5-Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller ein Software-Update bekommen. Die Branche geht davon aus, dass etwa 50 Prozent der Euro-5-Fahrzeug-Flotte technisch für ein solches Update geeignet wären. Ein Software-Update könnte den Stickoxid-Ausstoß der betroffenen Fahrzeuge deutlich senken. Das Niveau neuer Euro-6-Fahrzeuge werde aber nicht erreicht.
Die Zeit drängt. Sollte das Update im großen Stil kommen, dann müsste das KBA noch Testreihen vornehmen und die neuen Technologien zertifizieren, bevor die Umrüstaktion anläuft. Wenn die Grenzwerte weiterhin in Stuttgart und anderswo überschritten werden, drohen Fahrverbote.

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