Die Wirtschaft legt zu — aber langsamer

Berlin · Laut Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute behalten auch die Beschäftigten ein leichtes Plus im Portemonnaie.

Berlin Deutschland bleibt ökonomisch ein Schwergewicht: Der "Aufschwung festigt sich trotz weltweiter Risiken". Unter dieser Überschrift haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute am Mittwoch ihr Frühjahrsgutachten veröffentlicht. Demnach legt die deutsche Wirtschaft weiter zu, aber eben nur noch "moderat". Die Ursache der eher geringen konjunkturellen Dynamik sehen die Experten im schon weithin ausgereizten Konsum. Weil der private Verbrauch weniger stark zulegen dürfte als in der Vergangenheit und sich stetiger entwickelt als die Exporte, habe man es auch mit einer gleichmäßigeren Aufwärtsbewegung zu tun. Das müsse man aber nicht bedauern, versicherten die Forscher. Nachfolgend die wichtigsten Kennziffern ihrer Expertise: Wachstum Die Experten rechnen für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 1,5 Prozent. Damit korrigieren sie die Prognose ihres Herbstgutachtens leicht nach oben. 2016 hatte das Bruttosozialprodukt allerdings noch um 1,9 Prozent zugelegt. Der Unterschied hängt jedoch in erster Linie mit Kalendereffekten zusammen. So wurde zum Beispiel der Reformationstag in diesem Jahr wegen der Ehrung für Martin Luther einmalig zum gesamtdeutschen Feiertag ausgerufen. Für 2018 erwarten die Forscher ein Wachstum von 1,8 Prozent. Auch das ist eine leichte Korrektur nach oben. Arbeit und Löhne Der Beschäftigungsboom hält weiter an. Für das laufende Jahr rechnen die Experten mit einem Zuwachs auf 44,18 Millionen Erwerbspersonen. Rund 400 000 weitere Jobs sollen 2018 dazu kommen. In diesem und im kommenden Jahr werden die Beschäftigten auch jeweils mehr Lohn in der Tasche haben. Die Forscher rechnen mit einem durchschnittlichen Anstieg der Gehälter um 2,5 beziehungsweise 2,8 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen wird für dieses Jahr mit durchschnittlich 2,52 Millionen angegeben. 2018 sollen es nur noch rund 2,42 Millionen sein. Das wäre ein neuer Tiefststand. Inflation Anders als in früheren Jahren müssen sich die Verbraucher wieder auf stärker steigende Preise einstellen. Nachdem die Inflation 2016 mit 0,5 Prozent nahezu stagnierte, werden für 2017 und 2018 Zuwächse von 1,8 beziehungsweise 1,7 Prozent erwartet. Unter Berücksichtigung der prognostizierten Lohnsteigerungen hätten die Beschäftigten aber trotzdem noch ein leichtes Plus im Portemonnaie. Risiken "Die Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ist erheblich", heißt es im Frühjahrgutachten. Für die Forscher unkalkulierbar sind die Auswirkungen des Brexit und der anstehenden Wahl in Frankreich. Im Hinblick auf die USA sind die Erwartungen zwiespältig. Einerseits könnten die angekündigten Steuersenkungen von US-Präsident Trump die Weltkonjunktur beflügeln und damit auch die Wirtschaft hierzulande. Andererseits gingen von den protektionistischen Bestrebungen Trumps auch "Abwärtsrisiken für Deutschland" aus. Bis 2018, so die Erwartung, sei damit aber noch nicht zu rechnen. Kritik Ebenso wie kürzlich die OECD thematisieren auch die Wirtschaftsforscher die hohe Abgabenbelastung in Deutschland. Wie schon in früheren Jahren empfehlen sie eine grundlegende Reform des Einkommensteuertarifs, die aber durch die strukturellen Finanzierungsüberschüsse und den Abbau von Steuervergünstigungen gegenfinanziert werden sollte. Spielraum für Beitragssenkungen besteht aus Sicht der Experten bei der Arbeitslosenversicherung, die inzwischen Rücklagen von gut elf Milliarden Euro hat. Hier könnte der Beitrag um 0,3 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent gesenkt werden, sagen die Forscher. Die Untersuchung kann unter <%LINK auto="true" href="http://www.ifo.de" text="www.ifo.de" class="more"%> abgerufen werden. KommentarMeinung

Einige Eisberge voraus Es ist ein für deutsche Verhältnisse schon fast unheimlicher Aufschwung, der im Jahr nach der großen Finanzkrise 2009 begann und laut der jüngsten Prognose auch 2017 weitergehen wird. Aber komisch, mit jedem guten Konjunkturbericht wächst auch das Titanic-Gefühl auf dem deutschen Dampfschiff. Drei Eisberge voraus. Einer heißt Protektionismus. Ob die Marktbedingungen für deutsche Produkte in der Zukunft noch so gut sein werden wie heute, ist alles andere als sicher. Zweitens ist da die Krise Europas zu nennen, seiner nach wie vor nicht stabilen Währung und seiner wackeligen politischen Institutionen. Und drittens gibt es die digitale Revolution, was kombiniert mit der Überalterung und dem Fachkräftemangel die dringende Frage aufwirft, ob dieses Land auch morgen noch mithalten kann. Gründe genug also, Ausguck und Ruder sehr gut zu besetzen. Bei der Wahl im Herbst. nachrichten.red@volksfreund.de

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