Langstreckenläufer mit Bodenhaftung

Bitburg · Nach 50 Jahren Arbeits- leben, 43 davon bei der Bitburger Braugruppe, geht Alfred Müller, Familienmensch und Eifeler Urgestein, in Ruhestand. Es waren aufregende Jahre für den Geschäftsführer, in denen die Bitburger von einer regionalen Brauerei zur nationalen Topmarke aufstieg.

 Sagt dem Berufsleben heute Servus: Bit-Geschäftsführer Alfred Müller.TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Sagt dem Berufsleben heute Servus: Bit-Geschäftsführer Alfred Müller.TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Foto: (g_geld )

Bitburg Für Alfred Müller ist heute ein besonderer Tag. Nach 43 Jahren und über 10 000 Arbeitstagen verabschiedet sich der Geschäftsführer der Braugruppe von seiner Bitburger. Er blickt auf ein außergewöhnliches Berufsleben zurück. "Ich bin mit offenen Augen und großem Interesse an jede Herausforderung herangegangen", sagt der 64-Jährige dem TV. Am 1. April 1974 stieg er bei der Familienbrauerei ein.
Als junger Mann bot sich ihm die Gelegenheit zur Neuorientierung. "Eigentlich sollte ich den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern übernehmen", erinnert er sich. Nach seiner Schulausbildung absolvierte der Eifeler aus Baustert auch zunächst eine landwirtschaftliche Lehre und sattelte schnell die Meisterausbildung drauf. Doch schon in jungen Jahren kalkulierte Alfred Müller Chancen und Risiko. "Ich habe mich gefragt, wie kann ich eine Familie ernähren." Ein wenig bot ihm der Zufall die Gelegenheit dazu. Bei der Bitburger Brauerei startete er seine Karriere als Industriekaufmann. "Wenn einem Aufgaben übertragen wurden und man die gut erfüllte, gab es schnell neue Aufträge." Der junge Alfred Müller hat seine Herausforderung wohl bestens gemeistert, denn sein Aufstieg ging schnell voran. Und gleichzeitig entwickelte sich die Brauerei in Riesenschritten.
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre baute er zunächst als Handlungsbevollmächtigter und einige Jahre später als Bereichsleiter das Controlling in der Brauerei auf. "Das war eine spannende Zeit. Es gab erste Computer, die Programme musste man allerdings selbst auf Lochkarten schreiben", erinnert sich der Bit-Geschäftsführer. Offen und neugierig stellte sich Müller dem und lernte so programmieren, legte neben seinem Beruf die Bilanzbuchhalterprüfung ab und studierte an der Fernuniversität Hagen Betriebswirtschaft. Eingestellt und gestartet noch unter den Geschäftsführern Dr. Theobald und Dr. Hanns Simon machte Alfred Müller weiter seinen Weg in der Brauerei. "Das waren sehr dynamische und spannende Zeiten. Der Umzug und der Aufbau der Brauerei in Bitburg Süd waren der Grundstein für die rasante Entwicklung", ist Alfred Müller überzeugt.
Besonders gefördert wurde Müller von der sechsten Unternehmergeneration der Braugruppe, die ihn verstärkt in die Unternehmensführung miteinbezog. Dr. Michael Dietzsch, Dr. Axel Simon und Dr. Thomas Niewodniczanski übernahmen das Ruder. Marketing, Sponsoring, Zukäufe - in den kommenden Jahren entwickelte sich Bitburger unter Volldampf zu eine der großen deutschen Biermarken. Und Alfred Müller wurde 1997 eine Ehre zuteil, die es in der langen Geschichte der Brauerei zuvor noch nie gegeben hat. Nach 180 Jahren wurde zum ersten Mal ein Geschäftsführer berufen, der nicht zur Familie gehörte. Für den Eifeler selbst eine große Überraschung. "Als mich Dr. Thomas Niewodniczanski auf die Aufgabe vorbereitet und als seinen Nachfolger vorgeschlagen hat, habe ich zunächst nicht daran geglaubt, aber ich bin heute noch stolz, dass ich seine Nachfolge antreten durfte."
Die Zeit mit Thomas Niewodniczanski war für Alfred Müller etwas Besonderes. In ihm sieht er den Mentor, der ihn besonders stark geprägt hat. "Die Gespräche waren nie vorhersehbar. Egal, wie gut man vorbereitet war, plötzlich kam ein Aspekt, eine neue Idee, mit der man nicht gerechnet hatte, und es ging in eine andere Richtung." Neugier, Interesse, Detailversessenheit und die Nähe zu den Menschen sind Aspekte, die beide geteilt haben. Die Liebe zu den Zahlen sowieso. Doch wer glaubt, Alfred Müller einfach als Rechenakrobat beschreiben zu können, irrt. Sein Geschick geht viel tiefer. "Wenn es etwa darum ging, unseren Malzbedarf zu decken, wusste ich als Landwirt auch immer, wie viel Hektar dafür nötig sind." Warum das wichtig ist? Müller: "Wenn das Wetter in einem Anbaugebiet zu trocken oder die Ernte zu schlecht war, musste ich beispielsweise mehr Malz aus anderen Ländern besorgen. Über meine Kontakte zu Freunden in der Landwirtschaft war ich immer bestens über die allgemeine Marktlage, Preistrend und natürlich auch die jeweiligen Wachstumsbedingungen informiert. Und so konnten wir immer beste Qualität einkaufen", erzählt der Bit-Geschäftsführer ganz beiläufig.
Und auch in der Geschäftsführung hat Alfred Müller seine Rolle gefunden. "Im Geschäftsführungsteam haben meine Kollegen häufig zusammen mit den Füßen auf dem Gaspedal gestanden. Da musste ich manchmal auf die Bremse drücken, damit wir durch die Kurve kommen", erinnert er sich an viele engagierte und emotionale Gesprächsrunden und schließt lächelnd an: "Aber ich bin auch immer gerne schnell gefahren."
In diesen Runden wurde die Strategie der Brauerei diskutiert: "mutig, offensiv, aber auch immer gut kalkuliert." Ob es um das Formel-1-Sponsoring, den Vertrag mit dem DFB, die Zukäufe von Köstritzer und Wernesgrüner oder später um König Pilsener und Licher ging, am Anfang jeder Entwicklung stand die Frage "Was kostet es uns, was bringt es uns", so Müller. Besonders dankbar sei er dabei den Gesellschaftern. "Alle sind in ihrem Herzen Bierbrauer und sehen die Braugruppe nicht als kurzfristiges Investment, sondern als Verpflichtung gegenüber der Familie an."
So wundert es kaum, dass Alfred Müller den Kauf der Köstritzer Brauerei als eine der spannendsten Phasen in seinem Berufsleben ansieht. "Die ersten Besuche waren besonders interessant. In mancher Unterkunft musste man zu zweit ein Zimmer beziehen. Und wenn der Wirt einen Gast gefunden hat, der länger blieb, hat er einem abends den Koffer vor die Tür gestellt", erinnert sich Müller.
Von anderen lernen, das hat Alfred Müller immer Spaß gemacht. Die vielen Besuche in anderen Brauereien oder auch seine Einsätze für die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin gehören zu seinen persönlichen Höhepunkten. "Aber eben auch, dass ich immer ein großartiges Führungs- und Mitarbeiterteam hatte, auf das ich mich voll und ganz verlassen konnte."
Und wenn er nun nach 43 Jahren einen Schlussstrich unter sein Berufsleben ziehen wird, dann stehen dort nach all den ereignisreichen Jahren als Ergebnis Dankbarkeit und Glück. Glück, das er seinem Fleiß, seiner Offenheit und Neugier und seiner Familie zu verdanken hat, wie er selbst sagt.
So ist denn Alfred Müller auch nicht vor der Zukunft bange. Der Vater von zwei Kindern und Opa von sechs Enkeln möchte mehr Zeit für seine Familie haben: als Skifahrer in den gemeinsamen Urlauben oder auch als ambitionierter Heimwerker. "Meine Frau hat schon eine Liste angelegt. Das mache ich aber nicht alles", lacht er. Zumindest nicht alles auf einmal; eher Schritt für Schritt. Das hat sich Alfred Müller ganz genau ausgerechnet.

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