Platzt die Fusion mit London?

Frankfurt · Die Geschäfte der Deutschen Börse laufen gut. Doch, dass gegen Konzernchef Kengeter wegen des Verdachts auf Insiderhandel ermittelt wird, überschattet derzeit alles.

Frankfurt (dpa) Carsten Kengeter windet sich. Könnte Frankfurt statt London Sitz der Megabörse werden? "Das ist eine spekulative Frage, die ich im Moment nicht beantworten kann", sagt der Chef der Deutschen Börse. In diesem Stil geht es weiter bei der Bilanz-Vorlage des Dax-Konzerns. "Zum gegebenen Zeitpunkt kann ich nicht auf diese Fragen eingehen (...) Ich möchte nicht weiter darauf eingehen, bitte verstehen Sie das (...)." Auch unangenehmen Fragen zum Verdacht des Insiderhandels weicht Kengeter aus: "Ich würde gerne darüber reden. (...) Das ist nicht möglich. (...) Ich bin der Erste, der gerne darüber reden würde, aber die Ermittlungen erlauben das nicht."
Kengeter macht alles andere als eine glückliche Figur - dabei steht für sein Unternehmen und für ihn persönlich viel auf dem Spiel. Seit Vorwürfe im Raum stehen, er habe Insiderwissen über Fusionspläne mit der London Stock Exchange (LSE) genutzt, um lukrative Aktiengeschäfte in eigener Sache zu machen, ist das glänzende Image des umtriebigen Managers angekratzt. Dass die Geschäfte 2016 gut liefen - mit 2,39 (Vorjahr: 2,22) Milliarden Euro Nettoerlösen und 722 (613) Millionen Euro Überschuss - wird da zur Nebensache.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt belasten nicht nur den langjährigen Investmentbanker, sondern erschweren das ohnehin schwierige Buhlen um die Gunst der Behörden in Sachen Fusion. Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), brachte es wie folgt auf den Punkt: "Ermittlungen gegen einen Börsenchef wegen Insiderhandels sind so, als würde gegen einen Bankchef wegen Bankraubs ermittelt."
Am 14. Dezember 2015 kaufte Kengeter 60 000 Deutsche-Börse-Anteile im Gesamtwert von 4,5 Millionen Euro. "Einfach und sehr korrekt, aufgeteilt in drei Orders zu jeweils 20 000 Stück, versehen mit klaren Preislimits, platziert auf unserer Xetra-Plattform, weil dort am meisten Stücke gehandelt werden", wie der Börsenchef wenige Wochen wenig später freimütig der Welt erzählte. "Wenn Sie so vorgehen, ist solch ein nicht gerade kleiner Auftrag unbedenklich." In dem speziell nur für Kengeter geschnürten, bis 2019 terminierten Vergütungsprogramm packte die Börse 69 000 weitere Aktien drauf.
Sollte ein gestandener Finanzprofi wie Kengeter die Sprengkraft des Deals unterschätzt haben? Denn nur zehn Wochen nach dem Aktienkauf, am 23. Februar 2016, machten Deutsche Börse und LSE Fusionsgespräche öffentlich. Die Aktienkurse beider Konzerne stiegen deutlich. Noch fünf Tage zuvor, bei seiner ersten Bilanz-Pressekonferenz als Börsenchef am 18. Februar 2016, hatte Kengeter auf die Frage nach Expansion von möglichen "kleineren Übernahmen" gesprochen.
Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Schon wenige Tage nach der ersten Information an den Markt konkretisierten LSE und Deutsche Börse ihr Vorhaben: Kengeter soll Chef der Superbörse werden, die Mehrheit des Unternehmens sollen die Aktionäre der Deutschen Börse mit gut 54 Prozent halten, als rechtlicher Hauptsitz ist London geplant.
Die Kernfrage sei, ab wann eine Insiderinformation vorgelegen habe, erklärt der Experte für Kapitalmarktstrafrecht, André-M. Szesny. Er sehe nicht, worin für Anleger der Vorteil liegen solle, wenn diese über erste Gespräche informiert würden, die auch scheitern könnten. Die Behörden mögen das aber anders sehen.
Die Fusion ist auch ohne die Vorwürfe gegen Kengeter umstritten genug. Die Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt (Brexit) hat die Kritik am Finanzplatz Frankfurt noch verstärkt.
Sollten die EU-Wettbewerbshüter der Fusion zustimmen, könnte Hessen das Zünglein an der Waage sein. Der Finanzminister des Landes, Thomas Schäfer (CDU), warnte jüngst: "Auch die Beteiligten in London müssten aus meiner Sicht erkennen, dass es (...) keine gute Idee wäre, an den Plänen in ihrer ursprünglichen Form festzuhalten."

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