Staatsanwaltschaft ermittelt gegen VW-Chef

Hannover · Wie offen geht Volkswagen mit den Ermittlungsergebnissen zu der Diesel-Affäre um? Viele Aktionäre sind unzufrieden - sie vermissen Bereitschaft zur Aufklärung.

Hannover (dpa) Mehr als eineinhalb Jahre nach Auffliegen des Volkswagen-Diesel-Skandals haben Anteilseigner dem Konzern mangelnde Transparenz vorgeworfen. Der Autobauer lehnt einen ausführlichen Bericht zu den Ermittlungserkenntnissen der Anwaltskanzlei Jones Day zum Abgasskandal weiter ab. Bei Aktionären stieß dies auf deutliche Kritik.
"Mir ist bewusst, dass sich einige von Ihnen eine noch weitergehende Transparenz wünschen", sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch am Mittwoch den versammelten Aktionären in Hannover.
"Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben", sagte er zu den Erkenntnissen der von VW beauftragten US-Anwaltskanzlei. Über die gemeinsam mit dem US-Justizministerium veröffentlichte Faktensammlung ("Statement of Facts") hinaus werde es keinen gesonderten Bericht geben.
Die im September 2015 eingeräumten Manipulationen bei Abgastests rund um das gesundheitsschädliche Stickoxid hatten VW in eine tiefe Krise gestürzt. Volkswagen hat für die Kosten des Diesel-Skandals insgesamt bereits 22,6 Milliarden Euro verbucht. Inzwischen hat Europas größter Autobauer allerdings wieder deutlich Fahrt aufgenommen: Im ersten Quartal verdiente der Konzern vor allem dank starker Geschäfte in Westeuropa deutlich mehr, unter dem Strich blieben 3,4 Milliarden Euro Gewinn in der Kasse - ein Plus von fast 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg im ersten Quartal um 10,3 Prozent auf 56,2 Milliarden Euro. Vielen Aktionären geht der Aufklärungswille von VW nicht weit genug. "Dass die Ergebnisse immer noch unter Verschluss sind, lässt vermuten, dass sie VW nicht gefallen", sagte Andreas Thomae, Fondsmanager der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Invest, die auch Musterkläger im Musterverfahren von VW-Aktionären ist. "Ihr Verweis auf das "Statement of Facts" ist inhaltlich unzureichend und nahezu beleidigend", kritisierte Christian Strenger, Experte für ordnungsgemäße Unternehmensführung. Der Veröffentlichung eines Berichts stehe die Faktensammlung nicht entgegen.
Pötsch begründete das Vorgehen mit rechtlichen Risiken. Das Unternehmen stehe in der Verpflichtung, sich "nicht in Widerspruch zu den im ,Statement of Facts' angegebenen Fakten" zu äußern. Der Konzern wolle daher keine zusätzlichen Ergebnisse veröffentlichen. "Alles andere wäre für Volkswagen unvertretbar riskant", sagte Pötsch. "Wir als Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen müssen alles tun, um weitere Schäden vom Unternehmen abzuwenden."
Weltweit hat der Konzern inzwischen knapp die Hälfte der betroffenen Motoren umgerüstet. Insgesamt seien es bislang 4,7 Millionen Fahrzeuge, sagte Konzernchef Matthias Müller. In Deutschland seien es 1,7 Millionen Autos. Weltweit sind rund 11 Millionen Fahrzeuge der VW-Gruppe betroffen, davon 2,6 Millionen in Deutschland. Müller kündigte zudem an, dass VW im laufenden Jahr besser abschneiden wolle als im Vorjahr. Rund 60 Modelle sollten 2017 auf den Markt kommen. "Auch deshalb sind wir trotz aller Herausforderungen zuversichtlich, dass 2017 noch besser wird als 2016", sagte er. Im vergangenen Jahr war Volkswagen trotz milliardenschwerer Kosten für die Bewältigung des Diesel-Skandals vor allem in den USA in die Gewinnzone zurückgekehrt.
Vor der Halle forderten Demonstranten derweil sofortige Aufklärung, die Verantwortlichen für den Diesel-Skandal müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Pötsch betonte, Volkswagen habe aus der Diesel-Krise gelernt: Aufsichtsrat und Vorstand wollten die Aufklärungsarbeit "entschlossen vorantreiben".
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Ermittlungen gegen VW-Chef Matthias Müller aufgenommen. Er werde der Marktmanipulation im VW-Abgasskandal verdächtigt, schreibt die Wirtschaftswoche. Hierbei geht es um seine Tätigkeit bei der VW-Dachgesellschaft Porsche SE, bei der er seit 2010 im Vorstand ist. Auch gegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und den früheren Vorstandsvorsitzenden des Autobauers Volkswagen, Martin Winterkorn, werde ermittelt. Im Kern geht es um die Frage, ob die Firmenchefs rechtzeitig über die Probleme informiert haben. (dpa)Extra: STIMMUNGSHEBER CURRYWURST


Die Folgen des Diesel-Skandals beunruhigen die Aktionäre auf der Volkswagen-Hauptversammlung. Für Beruhigung sorgen sollen nicht nur die jüngsten positiven Zahlen, sondern auch die VW-Currywurst. Der Klassiker stand am Mittwoch im Zentrum der Speisekarte: 2900 Currywürste aus der eigenen Metzgerei habe der Konzern für die Anteilseigner im Angebot, sagte ein VW-Sprecher in Hannover. Jährlich stellt der Konzern mehrere Millionen Currywürste her. Dazu kämen für die Anteilseigner 4500 Bouillon-Würstchen und 1100 Krakauer, außerdem 12 000 Laugenbrezeln, sagte der Sprecher. Und auch Getränke sind da, nämlich 5600 Liter Kaltgetränke und 3400 Liter Kaffee. (dpa)

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