Gladiators-Coach van den Berg im Saisonabschluss-Interview: "Das fand ich blöd"

Trier · Im großen Saisonabschluss-Interview spricht Marco van den Berg, der Trainer von Basketball-Zweitligist Römerstrom Gladiators Trier, über Karl Marx, Fehleinkäufe, mehrere Neuzugänge und einen möglichen Verbleib von Publikumsliebling Jermaine Bucknor.

 „Zu wenig Leadership“: Triers Trainer Marco van den Berg. TV-Foto: Willy Speicher

„Zu wenig Leadership“: Triers Trainer Marco van den Berg. TV-Foto: Willy Speicher

Foto: Willy Speicher (g_sport

Herr van den Berg, Sie leben nun seit zwei Jahren in Trier - was halten Sie eigentlich von der Karl-Marx-Statue, die bald in der Innenstadt aufgestellt wird?Marco van den Berg: Finde ich super! Marx ist solch ein wichtiger Mann in der Geschichte der Menschheit, auch wenn man sich über das, wofür er steht, natürlich streiten kann. Aber seine Ideen sind sehr wertvoll. Das Kommunistische Manifest, das er zusammen mit Engels geschrieben hat, ist hochaktuell. Denn es gibt in der Welt eine unfaire Verteilung von Reichtum - das hat er vorher gesagt. Man muss kein Kommunist sein, um das anzuerkennen. Trier sollte stolz auf Marx sein. Wie groß soll die Statue werden?
Um die sechs Meter ...vdB: Oh echt, das ist schön, aber noch lange nicht so groß wie der Marx in Chemnitz (lacht).
Chemnitz ist ein gutes Stichwort: Das letzte Playoff-Spiel in Chemnitz ist nun fünf Tage her, die basketballfreie Zeit hat begonnen. Verspüren Sie schon Langeweile?vdB: Oh, absolut nicht. Aber ich bin echt kaputt, ich muss das Viertelfinal-Aus jetzt erst mal verarbeiten. Das braucht Zeit.
Steht Urlaub an?vdB: Noch nicht, weil momentan die Saisonabschluss-Gespräche mit den Spielern laufen. Nächste Woche werde ich mit meiner Familie für ein paar Tage in die Schweizer Alpen fahren.
Wie lautet denn Ihr Fazit der Saison?vdB: Wir sind ein Stück weitergekommen in der Entwicklung eines Vereins, der es in drei Jahren schaffen kann, in die BBL aufzusteigen - auch wenn das Saisonende mit dem Aus in Chemnitz echt sehr frustrierend war.
Das heißt: Trotz des Viertelfinal-Aus' sehen Sie den Club einen Schritt weiter als noch in der Saison 2016/17, als es bis ins Halbfinale ging?vdB: Sehr schwierig zu sagen. Die Grundlagen - gerade mit meinem Co-Trainer Christian Held - sind deutlich besser als letztes Jahr. Wir haben es auch geschafft, ein Fundament mit deutschen Spielern zu legen. Da sind wir weitergekommen. Ja, wir haben nicht das Halbfinale erreicht, das ist leider so, aber der Viertelfinal-Gegner dieses Jahr war auch deutlich besser als Kirchheim letztes Jahr.
Nach der Niederlagenserie im Herbst haben Sie gesagt, dass das die schwerste Zeit Ihrer Trierer Zeit war - waren Sie kurz davor, hinzuschmeißen?vdB: Nein, niemals. Die Jungs sind mitgezogen, wir wussten sehr genau, was wir taten. Wir investieren am Anfang der Saison so viel, um am Ende topfit zu sein. Da ist so eine Schwächephase zu Saisonbeginn normal. Aber die Panik, die nach der Niederlagenserie plötzlich im Umfeld herrschte, hat mich sehr überrascht. Ich denke, dass es genau dieses Spannungsfeld zwischen - "lass uns etwas in Ruhe aufbauen" und "nein, nein, wir müssen was investieren, denn wir verlieren" - war, das in der Vergangenheit schuld daran war, dass hier viel kaputtgegangen ist.
Kommen wir mal zum Spielerischen. In dieser Saison war oft zu beobachten: Wenn die Dreier nicht fallen, läuft es nicht. Das war für die Gegner zu leicht ausrechenbar ...vdB: Da ist was dran. Wir hatten keinen Spieler, der mit dem Rücken zum Korb eine echte Gefahr ausstrahlte, wie Dwayne Evans oder Justin Raffington in der vergangenen Saison. Wir hatten keinen Spieler, dem man einfach mal den Ball geben konnte, der das Ding dann gemacht hat.
Also muss für die neue Saison unbedingt ein Big Man her?vdB: Ja, wir suchen einen Großen, der weiß, was er tun muss, um leichte Punkte zu erzielen und Fouls zu ziehen.
Das heißt, in der kommenden Saison wird sich die Spielweise ändern?vdB: Ich wollte immer so spielen mit einem Big Man unterm Korb - aber dafür muss man auch die Spieler haben. Die hatten wir in dieser Saison einfach nicht. Unsere ganze Inside-Truppe bestand nicht aus Typen, die die Verteidigung auf sich zogen. Wir hatten keinen Spieler wie den Chemnitzer Joe Lawson.
Wer wird der neue Center?vdB: Kann ich noch nicht sagen, aber wir sind dran. Wie gesagt: Wir brauchen dringend einen, der mit dem Rücken zum Korb agieren kann. Einen Kilian Dietz 2.0, der auch Offense kann. (lacht).
Sommer-Neuzugang Pablo Coro war kein Faktor in dieser Saison, Ryan Nicholas musste das Team im Winter verlassen und Joey van Zegeren kam aufgrund seiner Verletzungen nie richtig auf die Beine. Drei von fünf Neuzugängen haben das Team nicht weitergebracht. Sie haben diese Spieler geholt ...vdB: Ja, stimmt, ich bin zu 100 Prozent dafür verantwortlich, keine Frage. Zu Pablo Coro: Ich wusste, was er alles kann, ich bin davon auch nach wie vor überzeugt. Aber ich wusste nicht, dass er mental so empfindlich ist, wenn es mal nicht läuft. Für van Zegeren waren seine drei Gehirnerschütterungen und die Knieprobleme einfach zu viel, er kam leider nie richtig rein. Ryan Nicholas habe ich falsch eingeschätzt, ich dachte er wäre stärker. Aber wir werden das Scouting nun auch ändern, ab sofort kümmere ich mich gemeinsam mit Christian Held und Achim Schmitz darum.
Bleiben Coro und van Zegeren?vdB: Nein.
Wer war denn für Sie die positive Überraschung der Saison?vdB: Rupert Hennen, Thomas Grün und Johannes Joos - sie haben sich sehr gut entwickelt. Schön, dass sie alle bleiben. Besonders Rupis Entwicklung hat mich positiv überrascht.Simon Schmitz war in den beiden letzten Playoff-Partien kein Faktor im Trierer Spiel. Was war mit ihm los?vdB: Simon war total kaputt, auch krank. Er muss den Sommer nutzen, um seinen Körper aufzubauen. Und wir müssen ihn in der neuen Saison auch ein wenig entlasten.
Das heißt, es gibt einen Neuzugang auf der Point-Guard-Position?vdB: Simon wird natürlich weiterhin auf der Eins spielen, genau wie Kevin Smit und Rupert Hennen. Aber wir werden einen neuen Spieler holen, der auch die Eins spielen kann.
Wer ist das?vdB: Das kann ich noch nicht sagen.
Ist das ein deutscher Spieler?vdB: Nein.
Sagen können Sie aber sicherlich, ob Jermaine Bucknor bleiben wird - wie stehen die Chance für einen Verbleib?vdB: Ich würde sagen bei 80, 90 Prozent. Das entscheidet sich in den kommenden Tagen. Sportlich sind wir uns schon einig.
Am Donnerstag hat der Club offiziell verkündet, dass Brandon Spearman den Club verlässt. Wie schwer wiegt der Abschied?vdB: Sein Abgang ist eine logische Konsequenz. Er hat sich im Vergleich zur ersten Saison in Trier deutlich gesteigert.
Er muss diesen Schritt jetzt gehen, sonst bleibt er für immer ein ProA-Spieler.
Wer wird sein Nachfolger?vdB: Auch da sind wir dran, dazu möchte ich aber auch noch nichts sagen.
Sie haben Ihren Vertrag vor kurzem um ein Jahr bis Sommer 2018 verlängert. Wieso nur um ein Jahr?Die Option war ein Jahr plus ein weiteres, wenn wir die Playoffs schaffen. Das fand ich blöd, also habe ich erst mal für ein Jahr unterschrieben. Aber ich habe nicht die Absicht, nach dem kommenden Jahr zu gehen.
Klingt enttäuscht...vdB: Nein, nicht wirklich, viele Clubs agieren so.
Das heißt, Sie haben es Achim Schmitz nicht übelgenommen, dass er Ihnen nicht direkt einen Zweijahresvertrag angeboten hat?vdB: Nein, nicht übel, aber ich habe es angesprochen, dass ich es nicht gut fand. Aber für mich ist das okay! Christian Held und mir macht das hier viel zu viel Spaß, wir werden nicht nach der kommenden Saison sagen: Nein, keinen Bock mehr.
Achim Schmitz sagte vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem TV, der Aufstieg wäre wirtschaftlich nicht machbar gewesen. Wie schwer fällt es eigentlich, sich und das Team vor solch einem Hintergrund zu motivieren?vdB: Nicht schwer, wirklich nicht. Aber er sagt das auch, um Druck auf die Wirtschaft hier in Trier zu machen. Ich hätte gerne gewusst, was gewesen wäre, wenn wir den Aufstieg sportlich tatsächlich geschafft hätten. Achim Schmitz sagt das nicht, weil er aufgibt, sondern er will die Wirtschaft aufrütteln, um zu sagen: Hey, kommt helft mit!
Ist der Aufstieg denn nächstes Jahr überhaupt möglich?vdB: Sportlich auf jeden Fall! Wirtschaftlich muss man sehen, mit mehr finanzieller Unterstützung - warum nicht?
Schauen wir mal ein Jahr nach vorne. Wie muss die Saison gelaufen sein, dass Sie im April 2018 zufrieden auf die Spielzeit zurückblicken?vdB: Erst ein mal werde ich noch nicht im April 2018 auf die Saison zurückblicken, weil wir dann hoffentlich noch mitten in den Playoffs sind (lacht). Zufrieden wäre ich dann, wenn wir als Team weiter gewachsen sind, Rupert Hennen, Thomas Grün und Johannes Joos sich weiterentwickelt haben und wir Sebastian Herrera halten konnten.

KOMMENTAR
Marek Fritzen

Mehr Kontinuität muss her!
Das Wichtigste zuerst: Es muss nicht unbedingt Bundesliga-Basketball sein in Trier, auch Duelle in der ProA können die Fans begeistern. Das belegen über 6000 Zuschauer in zwei Playoff-Partien, dazu in der Hauptrunde ein Zuschauerschnitt von 2000 Fans, die zwölf Siege in 15 Heimspielen bejubeln konnten. Die zweite ProA-Saison der Römerstrom Gladiators Trier ist vorüber - was bleibt?
Zum Sportlichen: Offensiv leicht ausrechenbar aufgrund des Geballers von außen. Es fehlten Spieler, die mit Tempo zum Korb zogen, es fehlte an Schränken unterm Korb, die in der Zone für Wirbel sorgten, es fehlte darüber hinaus an Tempo in den Angriffen. Wenn die Dreier nicht fielen, konnte es richtig bitter werden, so wie im Januar, als es in Heidelberg eine 51:91-Packung setzte. Das Team muss offensiv flexibler werden.
Defensiv und kämpferisch dagegen zählte die van-den-Berg-Truppe zum Besten, was die ProA zu bieten hatte. Ebenfalls beeindruckend, die mannschaftliche Geschlossenheit. Beispielhaft dafür eine Aussage von Joey van Zegeren. Der Holländer verlässt den Club, zum Abschied betont er: "Niemals war einer neidisch auf den anderen, ein echtes Team, eine tolle Zeit!"
Zur Außendarstellung: Die wurde durch das Kommen und Gehen in der Geschäftsstelle - zuerst Judith Holthausen, dann Michael Lang, dann Alex Meilwes - massiv beschädigt. Mehr Kontinuität muss her. Ein hauptamtlicher Manager ist von enormer Bedeutung, wenn man sich weiter professionalisieren will. Was das Thema Finanzen angeht, bleibt abzuwarten, was aus den 40 000 Euro an Einnahmen wird, die laut Geschäftsführer Achim Schmitz bis Ende Juni fehlen. Hier ist es wichtig, dass der Club auch in der basketballfreien Zeit mit hoher Transparenz agiert.
Professioneller muss auch die Jugendabteilung werden: Während das JBBL-Team in seiner Spielklasse chancenlos durch die Saison stolperte, war die zweite Mannschaft der Gladiators in der Regionalliga II nur dann konkurrenzfähig, wenn sie Unterstützung aus dem Profiteam erhielt.

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