"Wirklich keiner hatte dem Team den EM-Titel zugetraut"

Maria de Jesus Duran-Kremer stammt aus Lissabon und lebt seit 40 Jahren in Deutschland. Bis vor kurzem arbeitete die Portugiesin als Dolmetscherin für die Europäische Union, heute sitzt sie für die SPD im Trierer Stadtrat und ist Vorsitzende des Rates für Migration und Integration. Vor der EM stellte die 66-Jährige ihr Heimatland im Rahmen der TV-EM-Serie vor und tippte auf den Halbfinaleinzug der Portugiesen. Jetzt nach dem Titelgewinn hat TV-Redakteur Marek Fritzen nochmal bei ihr angerufen.

 Maria de Jesus Duran-Kremer. TV-Foto/Archiv: Friedemann Vetter.

Maria de Jesus Duran-Kremer. TV-Foto/Archiv: Friedemann Vetter.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Frau Duran-Kremer, wie haben Sie den EM-Titel Portugals gefeiert?
Maria de Jesus Duran-Kremer: Ich habe mir das Spiel ganz in Ruhe angesehen. Groß gefeiert habe ich nicht, da ich leider am Montagmorgen sehr früh raus musste. Aber ich habe mich riesig gefreut. Der Titel tut Portugal so gut.
Inwiefern?
Duran-Kremer: Wirklich keiner hatte dem Team den Titel zugetraut. Selbst als sie im Finale standen, hieß es immer wieder: Die stehen zu Unrecht im Endspiel, haben das gar nicht verdient. Und was machen die Jungs: Sie holen den Titel und zeigen es allen. Genau das wird vielen Menschen in Portugal Hoffnung geben. Die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch, viele junge Menschen haben wenig Hoffnung. Aber der EM-Gewinn wird ihnen jetzt Kraft geben. Sie haben gesehen: Unmögliches ist möglich. Du kannst etwas Großes erreichen, selbst wenn keiner an dich glaubt.
Haben Sie noch an den Sieg geglaubt, als Cristiano Ronaldo Mitte der ersten Halbzeit ausgewechselt werden musste?
Duran-Kremer: Ich habe gehofft, dass sein Ausfall dem gesamten Team einen Schub geben könnte, dass sie für ihn kämpfen. Aber sicher war ich mir nicht. Wirklich an den Titel geglaubt habe ich erst, als Portugal in der zweiten Hälfte der Verlängerung plötzlich stärker wurde und auch mehr Ballbesitz hatte als Frankreich.
Cristiano Ronaldo wird immer sehr kritisch gesehen. Selbst als er verletzt auf dem Boden lag, wurde er von einigen französischen Fans ausgepfiffen. Wie sehen Sie ihn?
Duran-Kremer: Die Pfiffe waren höchst unsportlich, so etwas verstehe ich nicht. Viele halten Ronaldo für einen arroganten Typen. Aber das stimmt nicht. Er tut so viel für die Menschen in Portugal. Immer wieder unterstützt er Projekte in seiner Heimat, oft spendet er Geld, ohne seinen Namen zu nennen. Er hat nie vergessen, aus welch armen Verhältnissen auf Madeira er stammt. Ronaldo und seine Teamkollegen haben den Titel nicht für sich gewonnen, sondern für die Menschen in ihrem Land. mfr

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