Erst fliegen Trümmer, dann die Fetzen zwischen den Stars

Baku · Ricciardo gewinnt in Aserbaidschan. Doch das ist fast schon eine Randnotiz des turbulenten Formel-1-Rennens, nach dem Vettel an der Spitze bleibt.

 Sebastian Vettel wurde nach einer Aktion gegen Lewis Hamilton bestraft, wurde in Baku am Ende aber Vierter. Foto: dpa

Sebastian Vettel wurde nach einer Aktion gegen Lewis Hamilton bestraft, wurde in Baku am Ende aber Vierter. Foto: dpa

Foto: Efrem Lukatsky (AP)

Baku Im irren Trümmer-Chaos von Baku hat Hitzkopf Sebastian Vettel wegen einer Rüpel-Attacke gegen Titelrivale Lewis Hamilton den Sieg verspielt, aber dennoch seine WM-Führung ausgebaut. Nach einer Unfallserie und einer 23-minütigen Unterbrechung beim Grand Prix von Aserbaidschan fuhr der Ferrari-Pilot am Sonntag als Vierter direkt vor Hamilton ins Ziel. Beim fünften Formel-1-Sieg des Australiers Red-Bull-Piloten Daniel Ricciardo hatte sich Vettel eine Zehn-Sekunden-Strafe eingehandelt, weil er in einer der vier Safety-Car-Phasen zunächst auf den Mercedes-Star aufgefahren und den Briten danach seitlich gerempelt hatte. "Das interessiert mich nicht. Es gibt nichts, was ich sagen kann - es ist vorbei", sagte Hamilton. "So sollte sich ein Fahrer nicht verhalten", meinte er noch über Vettel. Mehr wolle er aber nicht mehr sagen. Sein Unfall-Kontrahent konnte seine Strafe indes nicht nachvollziehen. "Er hat zweimal hart gebremst. Das war nicht gut. Ich verstehe nicht, warum man nur mich bestraft", klagte Vettel und meinte zu seiner Aktion: "Ich habe ihm nur gezeigt, dass es so nicht geht." Der von der Pole Position gestartete Silberpfeil-Star konnte jedoch nicht vom Urteil der Rennrichter gegen den deutschen WM-Spitzenreiter profitieren, wegen einer gelockerten Kopfstütze musste er einen Zusatzstopp einlegen und verpasste seinen vierten Saisonsieg. "Mir tut das für Lewis leid. Wir sind selber schuld. Aber wo Menschen arbeiten, passieren Fehler", sagte Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda. Immerhin durfte er sich über Valtteri Bottas' zweiten Platz freuen. Der Finne hatte auf den letzten Metern des spektakulärsten Rennens seit Jahren den sensationellen Williams-Neuling Lance Stroll abgefangen. Bottas krönte damit seine Aufholjagd, nachdem er nach einem Unfall zu Beginn das Feld komplett von hinten aufgerollt hatte. "Eine fantastische Leistung", meinte Lauda. In der WM-Gesamtwertung führt Vettel (153 Punkten) nach dem achten Saisonlauf nun mit 14 Punkten Vorsprung auf Hamilton (139). Auch Pascal Wehrlein ergatterte für Sauber dank zahlreicher Ausfälle der Konkurrenz als Zehnter noch einen WM-Punkt. Dagegen streifte Nico Hülkenberg mit seinem Renault eine Streckenmauer und schied aus. Hamilton kontrollierte zunächst die Konkurrenz. Zum 66. Mal hatte er am Samstag Startplatz eins erobert und war im Ranking bis auf zwei Poles an Rekordhalter Michael Schumacher herangerückt. Der Brite verteidigte am Start souverän seine Spitzenposition. Auch Teamkollege Bottas kam von seiner Position zwei zunächst gut weg. Doch wenige Meter später kollidierte er mit dem Ferrari seines finnischen Landsmanns Kimi Räikkönen. Profiteur war Vettel, der von Platz vier ins Rennen gestartet war. Er zog an den beiden Unfallgegnern vorbei und kam auf Rang zwei. Bottas schleppte sich mit einem platten Reifen und einem beschädigten Frontflügel in die Box und fand sich zunächst am Schluss des Feldes wieder. Auch wenn die Titelrivalen Hamilton und Vettel an der Spitze fuhren, zu einem echten Zweikampf kam es zunächst nicht. Die Brite dominierte, Vettel kam nicht an ihn ran. Mit dem alten und schwächeren Motor konnte der Heppenheimer das Tempo seines Rivalen nicht mitgehen. In der zwölften Runde musste das Safety-Car auf die Strecke. Daniel Kwjat hatte seinen Toro Rosso mit einem Motorschaden auf der Strecke abstellen müssen. Als nach vier Runden das Safety Car wieder von der Strecke fuhr, wehrte Hamilton Vettels Angriff ohne Probleme ab. Doch schon einen Durchgang danach kam das Safety Car zum zweiten Mal raus, da von Räikkönens Ferrari als Spätfolge des Crashs mit Bottas Teile weggeflogen waren. Dann der Zwischenfall zwischen Hamilton und Vettel kurz vor dem zweiten Re-Start: Der Brite fuhr extrem langsam, Vettel berührte mit seinem Ferrari das Mercedes-Heck und regte sich mächtig auf. Er zog neben Hamiltons Silberpfeil und knallte ihm in seiner Wut kurz in die Seite. "Das war ein Revanchefoul", sagte Lauda. Das Rennen wurde wieder freigegeben. Erneut zog Hamilton davon, Vettel musste sich nicht nur gegen Perez, sondern diesmal auch gegen Felipe Massa im Williams wehren. Das gelang dem Hessen, doch dahinter crashte der Mexikaner Perez mit seinem Teamkollegen Esteban Ocon. Und auch Räikkönen erwischte es. Überall auf der Strecke lagen Trümmerteile. Die Rennleitung entschied nach 22 Runden: Unterbrechung des Rennens für Reinigungsarbeiten. Erst nach 23 Minuten ging es weiter - diesmal ohne größere Zwischenfälle. Hamilton blieb vorn, Vettel dahinter. Ricciardo kam bis auf Position drei. Als alles auf eine Sieg-Spazierfahrt für Hamilton hindeutete, löste sich der Kopfschutz an seinem Wagen. Der Brite musste an die Box und fiel auf Rang acht zurück. Vettel übernahm die Spitze, musste in der 34. Runde wegen seiner Aktion zehn Sekunden an der Box absitzen. Dennoch kam er noch vor Hamilton zurück auf die Strecke. Am Ende reichte es aber für beide nicht mehr für das Podest. Grand Prix von Aserbaidschan: 1. Daniel Ricciardo (Australien) — Red Bull 2:03:55,573 Std.; 2. Valtteri Bottas (Finnland) — Mercedes +3,904 Sek.; 3. Lance Stroll (Kanada) — Williams +4,009; 4. Sebastian Vettel (Heppenheim) — Ferrari +5,976; 5. Lewis Hamilton (Großbritannien) — Mercedes +6,188; 6. Esteban Ocon (Frankreich) — Force India +30,298; 7. Kevin Magnussen (Dänemark) — Haas +41,753; 8. Carlos Sainz Jr. (Spanien) — Toro Rosso +49,400; 9. Fernando Alonso (Spanien) — McLaren +59,551; 10. Pascal Wehrlein (Worndorf) — Sauber +1:29,093 Min Fahrer-Wertung: 1. Sebastian Vettel (Heppenheim) — Ferrari 153 Pkt.; 2. Lewis Hamilton (Großbritannien) — Mercedes 139; 3. Valtteri Bottas (Finnland) — Mercedes 111; 4. Daniel Ricciardo (Australien) — Red Bull 92; 5. Kimi Räikkönen (Finnland) — Ferrari 73; 6. Max Verstappen (Niederlande) — Red Bull 45;.. 11. Nico Hülkenberg (Emmerich) — Renault 18;… 15. Pascal Wehrlein (Worndorf) — Sauber 5 Konstrukteurs-Wertung: 1. Mercedes 250 Pkt.; 2. Ferrari 226; 3. Red Bull 137; 4. Force India 79; 5. Williams 37

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort