Was der Anschlag auf den BVB-Bus mit der Börse zu tun hat

Trier/Dortmund · Der Trierer Wirtschaftsprofessor Marc Oliver Rieger erklärt im Interview, wie Aktienoptionen funktionieren und warum sie Sinn machen. Und warum Betrüger nicht viele Chancen haben, unentdeckt zu bleiben.

Der nach dem Anschlag auf dem BVB-Mannschaftsbus gefasste Verdächtige hätte nach Einschätzung von NRW-Innenminister Ralf Jäger möglicherweise einen Millionengewinn mit der Tat erzielen können. Der Mann habe 79.000 Euro investiert, um entsprechende Aktienoptionsscheine zu kaufen.

Wären die Kurse nach dem Anschlag wie von dem 28-Jährigen erhofft stark gefallen, hätte sich das für den Mann auszahlen können. Jäger sprach am Freitag in Düsseldorf von einem „niederträchtigen Motiv, mit hoher Kriminalität und Professionalität umgesetzt“.

Zu diesem Thema hat TV-Redakteur Rolf Seydewitz ein Gespräch mit dem Trierer Wirtschaftsprofessor Marc Oliver Rieger geführt, der die wirtschaftlichen Hintergründe des Verbrechens erklärt.

Herr Professor Rieger, wie funktioniert das Geschäft mit den Aktienoptionen?

Rieger Eine Put-Option gibt dem Käufer das Recht, eine Aktie zu einem festgelegten Preis an einem bestimmten Tag zu verkaufen. Sie ist also nützlich für Leute, die sich gegen fallende Aktienkurse absichern wollen. Sie können die Aktienkurse zu einem festgelegten Preis verkaufen, selbst wenn der Aktienkurs noch sinkt. Ich kann mit einer solchen Put-Option aber auch auf fallende Aktienkurse spekulieren.…

Wie es offenbar der Tatverdächtige gemacht hat…

Rieger Genau. Dazu kaufe ich einfach die Put-Option, die mir ja das Recht gibt, eine Aktie an einem Tag x zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Wenn ich weiß, dass dann der Aktienkurs gefallen ist, bekomme ich die Aktien an dem Tag zu einem billigen Preis, kann sie aber zu dem vorher festgelegten teureren Preis verkaufen. Die Differenz ist dann mein Gewinn.

Der mutmaßliche Attentäter soll 15.000 Optionsscheine für 78.000 Euro gekauft und auf einen Millionengewinn spekuliert haben. Ist das realistisch?

Rieger Ich habe mir heute mal die Optionsscheine angeschaut, die auf Borussia-Dortmund-Aktien zu haben sind. Es gibt nur eine Bank, die so etwas emittiert, das ist die DZ Bank. Und bei den von mir angeschauten Optionsscheinen komme ich nicht auf solche fantastischen Renditen. Der Kurs der BVB-Aktie ist ja durch die Bombenattacke auch nur um vier Prozent nach unten gegangen.

Bei einem "erfolgreichen" Attentat wäre der Kurs womöglich stärker gesunken…

Rieger Das weiß man nicht, konnte auch der Attentäter nicht wissen. Er hat wahrscheinlich darauf spekuliert, dass der Kurs stark einbricht. Dann hätte er mit der Put-Option mehr Geld verdient. Wie viel, ist schwer zu sagen.

Warum brauchen wir überhaupt Aktienoptionen?

Rieger Put-Optionen sind sehr praktisch, um sich gegen Kursverluste abzusichern. Und wenn Aktienkurse zu hoch sind, kann man damit ein wenig gegensteuern und auf fallende Kurse wetten. Das bringt den Preis dann wieder auf einen vernünftigen Wert und schränkt damit die Blasenbildung etwas ein.

Wie häufig sind Betrugsversuche?

Rieger Ich weiß von einer Studie, die sich den amerikanischen Optionsmarkt angeschaut hat und auf ein paar verdächtige Fälle gestoßen ist. Die spektakulärsten Fälle hingen mit den Attentaten vom 11. September 2001 zusammen. Da haben offenbar Helfer der Attentäter auf fallende Kurse der Fluggesellschaften gewettet, deren Maschinen für die Terrorattentate missbraucht wurden, und damit offensichtlich viel Geld gemacht. Das geht bei großen Unternehmen mit den dann folgenden dramatischen Kurseinbrüchen natürlich besser als bei einer kleinen Firma wie Borussia Dortmund.

Hatte das womöglich Vorbild-Charakter für den am Freitag gefassten Tatverdächtigen?

Rieger Eher nicht. Das amerikanischen Beispiel wurde in der breiten Öffentlichkeit nicht diskutiert.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das BVB-Attentat Schule machen könnte?
Rieger Gering, nur wenn die Nachahmer Idioten sind: So eine Sache fliegt hundertprozentig auf, wenn sich ein Experte anschließend die Put-Optionen anschaut und die jeweiligen Käufer. Damit wird man also nicht reich, sondern wandert direkt ins Gefängnis.

Rolf Seydewitz

Zur Person

Marc Oliver Rieger ist seit 2010 Professor für Bank- und Finanzwirtschaft an der Universität Trier. Forschungsschwerpunkte des 42-jährigen Wissenschaftlers sind Optionen und Finanzderivate.

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