Kussvariationen zwischen Erotik und Religion

Berlin (dpa) · Küsse können vieles ausdrücken: Liebe und Zuneigung, aber Verrat, Demut oder gar Drohung. Hier eine Übersicht - von Handkuss, über Zungenkuss bis hin zu Mafia- und Judaskuss.

 Zungenkuss und Bruderkuss: Während der eine erotische Zuneigung symbolisiert, wurde der andere im ehemaligen Ostblock benutzt, um die „Verbundenheit des sozialistischen Lagers“ zu demonstrieren. Foto: Marc Tirl

Zungenkuss und Bruderkuss: Während der eine erotische Zuneigung symbolisiert, wurde der andere im ehemaligen Ostblock benutzt, um die „Verbundenheit des sozialistischen Lagers“ zu demonstrieren. Foto: Marc Tirl

Begrüßungskuss: Von Süddeutschland bis zu den Mittelmeeranrainern gilt der Wangenkuss „Bussi“, „Bisou“ oder „Bacio“ als Form der Begrüßung unter Freunden und Familienmitgliedern. Eine Accolade (französisch: Umarmung) ist ein angedeuteter Wangenkuss links und rechts - je nach Region und Land zwei, drei oder sogar viermal.

Zungenkuss: Bei diesem erotischen Mund-zu-Mund-Kontakt berühren sich die Zungen der Partner. Im Altertum galt diese intime Berührung als Verschmelzung zweier Seelen. In der Öffentlichkeit ist das auch französischer oder florentinischer Kuss genannte Lippenbekenntnis in Asien unüblich und in einigen muslimischen Ländern sogar verboten.

Karnevalskuss: Das „Bützje“ ist im rheinischen Straßenkarneval auch auf fremden Wangen völlig normal. Wenn „wilde Weiber“ die Rathäuser im Sturm nehmen, wird hemmungslos geküsst. Menschen mit großen Berührungsängsten wird zu Ekelschminke oder Masken geraten.

Luftkuss: Soll Zuneigung eine größere Distanz überbrücken, wird zuerst die Handinnenfläche geküsst. Von dort wird der Kuss symbolisch auch über Straßenschluchten und durch geschlossene Fenster in Richtung des zu Küssenden geblasen.

Handkuss: Bei dieser Geste des Respekts und der Ergebenheit verbeugt sich der Herr vor der Dame und deutet auf ihrer Hand eine Berührung seiner Lippen an. Wurde die Hand tatsächlich geküsst, galt das früher in einigen Regionen als Liebesbeweis oder sogar als Heiratsantrag. In Österreich ist „Küss die Hand, gnä' Frau“ bis heute als höfliche Begrüßung zu hören.

Bischofskuss: In der orthodoxen und der katholischen Kirche ist der Handkuss auch bei Geistlichen vom Bischof aufwärts gebräuchlich. Dabei wird der an der rechten Hand getragene Siegelring geküsst. Beim Papst, dem Bischof von Rom, küsst man den Fischerring. Früher musste man dazu auf die Knie gehen, heute reicht eine Verbeugung.

Osterkuss: Dieses Zeichen der christlichen Verbundenheit ist bis heute in der orthodoxen Kirche üblich. Zur Feier der Auferstehung des Herrn, Jesus Christus, beschließt der Osterkuss die feierliche Ostermette.

Bruderkuss: Über die russische orthodoxe Kirche und russische Revolutionäre wurde aus der Tradition des Osterkusses der sozialistische Bruderkuss im damaligen Ostblock. Trafen sich Staatsmänner und Parteigrößen aus der Sowjetunion und verbündeten Staaten, demonstrierten sie mit ihrem Bruderkuss die „Verbundenheit des sozialistischen Lagers“.

Judas-Kuss: Der Jünger Judas Ischariot gab Jesus einen Kuss und verriet ihn mit diesem vorher vereinbarten Erkennungszeichen an die römischen Soldaten. Heute wird mit dem Begriff eine geheuchelte Geste der Zuneigung bezeichnet, hinter der sich eine böse Absicht verbirgt.

Mafiakuss: Kaum ein Mafia-Film kommt ohne eine Szene mit einem Todeskuss aus. Dabei nimmt der Pate den Kopf eines Abtrünnigen in den Hände, küsst ihn auf den Mund oder die Wangen und bestätigt damit: Du stehst auf unserer Todesliste.

Vertragskuss: In der ausgehenden Antike wurde der traditionelle Begrüßungskuss der alten Römer zu einem juristischen Vorgang. Geschäftspartner besiegelten mit einem offiziellen Kuss einen Vertrag.

Märchenkuss: Auch die Gebrüder Grimm konnten nicht auf den märchenhaften Lippenkontakt verzichten. Dornröschen wurde durch den Kuss des Prinzen aus hundertjährigem Schlaf erlöst und Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg vom Königssohn mit einem Kuss sogar aus dem Reich der Toten geholt.

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